Die Erben
weißer Dampf schoß heraus, während der Schein sich trübte. Die Neuen eilten hin und her. Wildheit und Furcht waren auf der freien Fläche. »Liku!«
Der Hirsch schwankte heftig im matten Licht. Fa wollte Lok fortziehen und knurrte ihn an. Die Neuen kamen näher mit gebogenen Ästen und gefiederten Zweigen. »Schnell!«
Ein Mann schlug wild in das Gebüsch zur Rechten. Lok holte zum Wurf aus. »Die Nahrung ist für Liku!«
Er schleuderte das Fleisch auf die Lichtung. Es fiel dem Hirsch vor die Füße. Lok konnte gerade noch sehen, wie der Hirsch sich im Dampf danach bückte, dann stolperte er davon, während Fa ihn fortzerrte. Das Lärmen der Neuen schwellte ab und ordnete sich zu einer Folge von Rufen, Fragen und Antworten, Befehlen; brennende Äste eilten über die Lichtung, so daß Fächer jungen Laubs Gestalt annahmen und wieder im Dunkel versanken. Lok neigte den Kopf und stieß die weiche Erde mit seinen Füßen. Da zischte es dicht über ihm wie schnell eingezogener Atem. Fa und Lok schlugen Haken durch die Büsche und gingen langsamer. Mit ihrer urtümlichen Gefühlssicherheit ahnten sie, wo Gestrüpp und Zweige waren; doch jetzt atmete Fa gehetzt und steckte Lok mit ihrer Panik an. Sie stürzten vorwärts, und die brennenden Äste leuchteten unter den Bäumen hinter ihnen. Sie hörten, wie die Neuen einander zuriefen und großen Lärm verursachten im Dickicht. Dann stieß eine einzelne Stimme einen lauten Ruf aus. Das Rascheln hörte auf. Fa hastete rutschend und scharrend am feuchten Fels hoch.
»Schnell! Schnell!«
Er konnte ihre Worte durch den Donner der glitzernden Wasserstränge gerade noch hören. Gehorsam folgte er ihr, verwundert über ihre wilde Eile, aber mit keinem anderen Bild im Kopf als dem des tanzenden Hirschs, und das wollte ihm seine Bedeutung nicht preisgeben. Fa zog sich auf die Kante der Klippe hinauf und legte sich nieder auf ihren eigenen Schatten. Lok wartete. Sie keuchte ihn an. »Wo sind sie?«
Lok spähte auf die Insel hinunter, aber sie kam seiner Antwort zuvor. »Klettern sie herauf?«
Auf halber Höhe schwang am Felsen eine Wurzel langsam hin und her von dem Stoß, den Fa ihr versetzt hatte, aber sonst rührte sich nichts auf der Klippe, die ihr Gesicht dem Mond zugekehrt hatte. »Nein.«
Sie schwiegen eine Weile. Lok hörte wieder das Lärmen des Wassers, und da wurde es auch gleich so laut, daß er es nicht mehr mit seiner Stimme übertönen konnte. Er fragte sich müßig, ob sie nur das gleiche Bild gesehen oder wirklich mit dem Mund gesprochen hatten, und dann ward er sich des Gefühls der Schwere in seinem Kopf und seinem Körper bewußt. Er spürte es ganz deutlich: das Gefühl verband sich mit Liku. Er gähnte, rieb sich mit den Fingern durch die Augenhöhlen und leckte mit der Zunge über seine Lippen. Fa stand auf. »Komm.«
Sie tappten zwischen den Birken hindurch über die Insel, setzten wieder von Fels zu Fels. Der Stamm hatte noch weitere Stämme aufgehalten, so daß sie ganz dicht beieinanderlagen, ihrer mehr als Finger an einer Hand und verflochten mit allem, was an dieser Seite des Flusses vorübertrieb. Das Wasser spritzte zwischen den Stämmen hoch und floß darüber hin. Es war ein so breiter Steg wie der durch den Wald auf der Erde. Sie gelangten ohne Mühe zur Terrasse hinüber und blieben wortlos stehen.
Ein scharrendes Geräusch kam von der Höhlennische herab. Sie rannten schnell hinzu, und die grauen Spitzohren flohen. Der Mond schien geradewegs in die Nische und erleuchtete sogar die Wandhöhlungen, so daß die einzige dunkle Stelle das Loch war, in dem sie Mal begraben hatten. Sie knieten nieder und fegten Erde, Asche und Knochen wieder über den Teil seines Körpers, den sie sehen konnten. Jetzt wölbte sich der Boden nicht mehr zu einem Buckel, sondern lag wieder auf gleicher Höhe mit der obersten Herdstelle. Immer noch fiel kein Wort zwischen ihnen, und sie rollten einen Stein herbei, damit Mals Ruhe fortan nicht mehr gestört würde. Fa murmelte vor sich hin.
»Wie können sie das Junge ernähren ohne Milch?« Dann lagen sie sich in den Armen, Brust an Brust. Die Felsen um sie herum waren wie gewöhnliche Felsen; der Feuerschein war aus ihnen gewichen. Die beiden drückten, klammerten sich aneinander, suchten nach einem Mittelpunkt, verharrten Gesicht an Gesicht. Das Feuer ihrer Leiber flammte auf, und sie drängten ihm entgegen.
VII
Fa löste sich von Lok. Sie standen auf und blickten über die Wände der Höhlennische. Der kalte
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