Die Erben
Hauch des ersten Morgengrauens umströmte sie. Fa ging zu einer der Vertiefungen und brachte einen fast fleischlosen Knochen und einige Bissen mit, die die Spitzohren nicht hatten erreichen können. Sie waren wieder rot, kupferrot und sandfarben, denn das Blau und Grau der Nacht hatte sie verlassen. Sie sagten nichts, aßen nur und teilten die Bissen mit einer Art leidenschaftlichen Erbarmens füreinander. Dann wischten sie sich die Hände an den Schenkeln ab und gingen hinunter zum Wasser und tranken. Immer noch wortlos und ohne gemeinsam ein Bild zu sehen, wandten sie sich nach links und schritten auf das Felseck zu, hinter dem die Klippe lag. Fa stand still. »Ich will nicht sehen.«
Zusammen kehrten sie wieder um und starrten in die leere Höhlennische.
»Ich werde Feuer holen, wenn es vom Himmel fällt oder auf der Heide erwacht.«
Lok gab sich dem Bild vom Feuer hin. Alles andere in seinem Kopf war Leere, und nur das in Wellen anstürmende Gefühl, jene namenlose Wehsal,. spürte er tief und beständig in seinem Innern. Er tappte auf die Stämme am anderen Ende der Terrasse zu. Fa faßte ihn am Arm. »Wir werden nicht wieder auf die Insel gehen.« Lok wandte ihr das Gesicht zu, erhob die Hände. »Wir müssen für Liku Nahrung suchen. Daß sie kräftig ist, wenn sie zurückkommt.«
Fa sah ihn lange an, und in ihrem Gesicht war etwas, das er nicht begriff. Er tat einen Schritt zur Seite, zuckte mit den Schultern, redete mit den Händen.
»Nein!«
Sie umklammerte seinen Arm und schüttelte ihn. Er wehrte sich und plapperte dabei unablässig. Er wußte nicht, was er sagte. Sie zerrte nicht mehr an seinem Arm und kehrte ihm erneut das Gesicht zu. »Sie werden dich töten.«
Eine Weile geschah nichts. Lok sah sie an, blickte dann zur Insel hinüber. Er kratzte sich an der linken Wange. Fa kam ganz nahe heran.
»Ich werde Kinder haben, die nicht sterben in der Höhle am Meer. Und ein Feuer wird da sein.« »Liku wird Kinder haben, wenn sie eine Frau ist.« Sie ließ seinen Arm wieder los.
»Hör zu. Sprich nicht. Die Neuen haben den Stamm genommen und Mal ist gestorben. Ha war auf der Klippe und ein Neuer war auf der Klippe. Ha ist gestorben. Die Neuen sind zur Höhlennische gekommen. Nil und die Alte sind gestorben.«
Das Licht hinter ihr war jetzt viel heller. Ein roter Fleck stand am Himmel über ihrem Kopf. Sie wuchs in seinen Augen. Sie war die Frau. Lok nickte ihr ergeben zu. Ihre Worte hatten das Gefühl anschwellen lassen. »Wenn die Neuen Liku zurückbringen, werde ich froh sein.«
Fa gab einen schrillen, zornigen Laut von sich, tat einen Schritt auf das Wasser zu und kam wieder zurück. »Wie können sie dem Jungen Milch geben? Gibt ein Hirsch Milch? Und wenn sie Liku nicht zurückbringen?« Er antwortete ergeben aus leerem Kopf. »Ich sehe dieses Bild nicht.«
Sie ging mit ihrem Zorn von ihm weg und blieb an dem Felseck stehen, wo die Klippe begann, eine Hand auf das Gestein gestützt. Er sah, wie sich ihre Haare sträubten und die Muskeln auf ihrer Schulter zuckten. Sie stand vornübergeneigt, die rechte Hand auf dem rechten Schenkel. Er hörte, wie sie abgewandten Kopfes mit ihm sprach.
»Du siehst weniger Bilder als das Junge.« Lok drückte sich die Handballen in die Augen, daß Lichtstrahlen darin aufblitzten wie im Fluß. »Es ist keine Nacht dagewesen.«
Das war richtig. Wo Nacht hätte sein sollen, war ein grauer Schleier gewesen. Nicht nur seine Augen und seine Ohren hatten gewacht, nachdem sie beieinander gewesen waren, sondern auch der Lok in diesen Augen und Ohren drinnen, der das Gefühl beobachtete, wie es heranwogte und abschwoll und heranwogte. Sein Kopf hatte sich hinter der Knochenwand mit der weißen Wolke der Herbstschlinggewächse verstopft, ihre Samen waren in seiner Nase und machten ihn gähnen und niesen. Er nahm die Hände auseinander und blinzelte zu der Stelle hin, an der Fa gestanden hatte. Sie war zurückgetreten und spähte diesseits des Felsecks über den Fluß. Ihre Hand winkte.
Der Stamm war wieder auf dem Wasser. Er schwamm dicht bei der Insel, und dieselben Knochengesichter saßen jedes an einem Ende. Sie gruben in das Wasser, und der Stamm glitt über den Fluß. Als er nahe beim Ufer und bei den wogenden Büschen war, drehte er sich in die Strömung, und die Männer hörten auf zu graben. Sie blickten angestrengt zu der freien Stelle am Wasser hinüber, wo der tote Baum war. Lok sah, wie der eine sich umwandte und mit dem anderen sprach. Fa berührte ihn
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