Die Erben
Stöckchen auf vom toten Feuer und fuhr damit hinein, so tief es ging. Da sah er plötzlich ein Bild: Lok stieß einen Stock in eine Spalte, um Honig herauszuholen. Ein Gefühl wallte ihn an gleich einer Meereswoge, erstickte sein Vergnügen an der Nahrung, ließ ihn sogar seines Zusammenseins mit Fa nicht achten. Es kam von nirgendwo, wie der Fluß, und gleich dem Fluß ließ es sich nicht verleugnen. Lok war ein Stamm in den Wellen, ein ertrunkenes Tier, mit dem die Wasser machen, was sie wollen. Er hob den Kopf wie Nil den Kopf gehoben hatte, und der Laut der Wehklage brach aus ihm heraus, während das Sonnenlicht in der Kerbe der Schlucht versank und der Abenddunst heranwehte. Dann war er ganz dicht bei Fa und umfaßte sie mit den Armen. Der Mond war hochgestiegen, als wieder Bewegung in sie kam. Fa stand auf und sah seine kalte Weiße mit halbem Auge, blickte dann zur Insel hinüber. Sie ging zum Fluß hinab, trank und verharrte kniend. Lok trat zu ihr. »Fa.«
Sie winkte mit der Hand, daß sie nicht gestört sein wollte, und starrte weiter über das Wasser. Dann sprang sie auf und rannte die Terrasse entlang. »Der Stamm! Der Stamm!«
Lok lief ihr nach, aber er verstand nicht, was sie wollte. Sie deutete auf einen schmächtigen Stamm, der auf sie zuglitt und sich dabei um sich selbst drehte. Sie warf sich auf die Knie und griff nach einem langen Splitter vom dickeren Ende. Der Stamm drehte sich weiter und riß an ihrer Hand. Lok sah, wie sie über das Gestein rutschte, und bückte sich nach ihren Beinen. Er hielt sie um die Knie gefaßt, und dann zogen sie, und der Stamm drehte mit dem anderen Ende bei. Fa klammerte sich mit einer Hand in Loks Haar und zerrte erbarmungslos, daß ihm das Wasser in die Augen trat, überlief und zum Mund hinabrann. Der Stamm kam längsseits und riß nicht mehr mit der früheren Gewalt an ihren Leibern. »Ich sehe ein Bild: wie wir auf dem Stamm zur Insel hinübergehen.«
Loks Haar sträubte sich.
»Aber Gefährten können doch nicht über den Wasserfall schwimmen wie ein Stamm!« »Sei still!«
Sie keuchte eine Weile, bis ihr Atem wieder ruhiger ging. »Oben am anderen Ende der Terrasse können wir den Stamm zum Felsen hinüberlegen.« Sie stieß allen Atem auf einmal aus.
»Wenn die Gefährten auf dem Pfad Wasser überqueren, laufen sie über einen Stamm.« Dann packte Lok die Angst.
»Wir können doch nicht den Wasserfall hinuntergehen!« Fa erklärte es ihm geduldig noch einmal.
Sie schleiften den Stamm stromaufwärts zum Ende der Terrasse. Das war eine schwierige Arbeit und gefährlich, daß sich ihnen die Haare sträubten, denn die Terrasse verlief nicht in gleichmäßiger Höhe über dem Wasserspiegel, und es gab Spalten und Buckel in der Steilkante. Ihre Körper mußten ständig wechselnden Anforderungen entsprechen, alles war neu für sie: und unablässig zerrte das Wasser, jetzt sanft, jetzt mit plötzlicher Macht, als raubten sie ihm eine geschlagene Beute. Der Stamm war nicht so tot wie Holz zum Brennen. Manchmal wand er sich in ihren Händen, und die zerknickten Zweige des dünneren Endes tappten immer über den Fels wie Beine. Lange bevor sie am Ende der Terrasse angelangt waren, hatte Lok vergessen, warum sie den Stamm stromaufwärts zogen. Er erinnerte sich nur noch an die plötzliche Erregung, die um Fa gewesen und an die Welle der Wehsal, die über ihm zusammengeschlagen war. Während er an dem Stamm zerrte und das Wasser ihn grauste, rückte die Wehsal so weit von ihm ab, daß er sie erfassen konnte, und sie quälte ihn. Sie hatte mit den Gefährten zu tun und mit dem Neuartigen, Fremden, das sie überfallen hatte.
»Liku wird Hunger haben.« Fa schwieg.
Als sie den Stamm an das Ende der Terrasse gebracht hatten, war der Mond ihr einziges Licht. Die Schlucht war blau und weiß, und die Flußfläche erglänzte in silbrigem Gefunkel. »Halt fest.«
Während Lok das eine Ende gepackt hielt, stieß Fa das andere von sich fort in den Fluß, doch die Strömung drängte es zurück. Da ging sie in die Hocke und verweilte so lange Zeit, die Hände auf den Kopf gepreßt, und Lok wartete in dumpfem Gehorsam. Er gähnte mit weit aufgerissenem Mund, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sah auf zu der steilen blauen Felswand jenseits der Schlucht. Drüben war keine Terrasse, die Wand fiel jäh in tiefes Wasser ab. Er gähnte abermals und wischte sich mit beiden Händen die Tränen aus den Augen. Er blinzelte eine Zeitlang in die Nacht hinein, sah dann den
Weitere Kostenlose Bücher