Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
Biarn hatte gesagt, sie müsse ihrer Intuition und ihren Träumen vertrauen. Sie würden sie leiten. Die Gabe der Lagu. Hatte sie einfach nur von ihrer Rettung geträumt? Ohne die Schwarzelfen wäre sie definitiv nicht mehr am Leben. Oder hatte das Irminsul eine tiefere, wichtigere Bedeutung?
Charlie sah abwesend und tief in Gedanken versunken , wie Andvare zur Seite trat und Kunar an den Altar winkte. Sie sah, wie er sich vornüber beugte und in die winzige, steinerne Schale blickte. Mit seinem Körper verdeckte Kunar komplett die Sicht. Charlies Gedanken wirbelten weiter. Sie hatte in ihren Träumen auch einen Steinbruch gesehen. Weshalb? Sollte sie dorthin gehen und sich bedienen , wie Andvare es genannt hatte? Aber wozu? Es war doch lediglich Schmuck. Nur Schwarzelfen konnten magische Gegenstände daraus schmieden...
Kunar richtete sich ruckartig auf und trat rasch einige Schritte rückwärts. Er prallte unsanft mit Charlie zusammen, die je aus ihren Gedanken gerissen wurde.
»Was ist los?«, fragte sie verwirrt und sah direkt in Kunars kreideweißes Gesicht. Als er nichts sagte, warf sie einen raschen Blick auf den Trollspiegel. Die milchige Flüssigkeit wirbelte in Schleiern und Fäden darin umher. Gerade als sie Kunar noch einmal fragen wollte, was denn passiert sei, wurde ihre Aufmerksamkeit abrupt eingefangen.
Der milchige Schleier sammelte sich am Rand der kleinen Schale und gab in der Mitte ein Bild frei. Charlie trat automatisch näher und starrte in die Schale, die nun einem Miniaturfernseher glich. Je inten siver sie schaute, desto größer wurde das Bild. Menschen bewegten sich, eine Geräuschkulisse erhob sich und Charlie hatte d as Gefühl, mitten in eine Art Versammlung oder Ereignis geraten zu sein. Aufgereg t liefen Männer und Frauen jeden Alters umher, und schienen sich erregt beschäftigt auf etwas vorzubereiten. Seltsame Tiere stießen hohe Laute aus und trampelten unruhig umher. Eine erwartungsvolle Spannung lag in der Luft! Dann reihten sich H underte von Männern an einer silberglänzenden Linie im Sandboden auf. Die meisten zu Fuß, andere kämpften darum ihre Reittiere zurückzuhalten. Seltsame Wesen, aber auch bekannte. Charlie konnte einen jungen Mann sehen, der alle Händ e voll damit zu tun hatte, ein fuchsfarbe n es Hippolektron unter Kontrolle zu halten, und weiter h inten breitete ein pechschwarzer Pegasus seine Flügel aus. Ein dunkler, alles erschütternder Knall ertönte. Erschreckt fuhr Charlie zusammen und konnte gerade noch sehen, wie H underte von Menschen und Tiere vorwärts stürmten, bevor die milchigen Schleier um sie herum wirbelten! Das letzte was Charlie sah, war ein Fenster, das sich hoch oben in einem Turm aus Naturstein öffnete. Ein Mädchen mit fast taillenlangem Haar lehnte sich hinaus und atmete tief die salzig frische Brise ein, die um den Turm wehte. Ihre langen, rötlichen Haare flogen leicht im Wind und sie lächelte.
»Hanna!«, rief Charlie aufgeregt und stolperte zurück. »Ich habe Hanna gesehen!« Kunar, der immer noch leichenblass war, nickte langsam.
»Ich auch«, flüsterte er leise mit fast erstickter Stimme. »Sie wird sterben, nicht wahr? Wir haben die Zukunft gesehen...« Er sah gequält zu Andvare hinunter. Tora schlug sich entsetzt die Hände vor den Mund und gab ein quiekendes Geräusch von sich. Biarn legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter und Charlie starrte Kunar verwirrt an.
»Wieso sterben?«, fragte sie. »Sie sah ziemlich gesund aus«, überlegte Charlie und zog sich das Bild, das sie nur den Bruchteil einer Sekunde gesehen , hatte ins Gedächtnis zurück. Tatsächlich hatte Hanna sogar sehr gesund ausgesehen und glücklich. Rosige Wangen, fraulicher Körper...
»Sie schien viel älter...«, überlegte Charlie stirnrunzelnd. »Sie hatte sehr lange Haare, fast bis hierher.« Sie zeigte an ihre Taille. »Und außerdem hat sie gelächelt«, schloss Charlie und sah Kunar fragend an. Ein Hoffnungsschimmer flog über sein immer noch blasses, unruhiges Gesicht.
»Tatsächlich...?«, fragte er leise. »Ich habe sie mit schulterlangem Haar gesehen, nicht viel älter als sie jetzt ist«, murmelte er so leise, dass sie ihn fast nicht verstehen konnte. »Ich..., ich habe... sie sterben sehen...« Sein Gesicht verzog sich zu einer schmerzhaften Grimasse. Charlie starrte ihn entsetzt an. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Nein, sie war bestimmt schon 20 oder so, mindestens«, überlegte sie laut. »Wie kann das sein? Zeigt der
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