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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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Stuten ihre Getränke bringen ließen.
    »Sie spielen Karten?«, fragte Sora mit dem bestimmten Gefühl auf dem Holzweg zu sein.
    »Tarot-Karten«, erklärte Libra bereitwillig. »Wir Kentauren lesen zum Zeitvertreib gerne in den Karten. Bei Unklarheiten oder Streitfragen bieten sie eine ergänzende Sichtweise.«
    Pollux schnaubte wieder.
    »Sicher, Mutter! Vater nutzt die Karten gewiss für eine Erweiterung des Geistes . Ein kräftiger Schuss Met ist da ganz bestimmt hilfreich!«
    Libra hob missbilligend ihre feinen Augenbrauen, widersprach aber nicht.
     
    Entgegen Pollux‘ Vorhersage brachte der nächste Tag keine Wetterverbesserung. Sora kämpfte sich wie üblich zweimal hinter Pollux, Gemini und einigen anderen Kentauren zur Herde durch und half bei der Fütterung sowie der Stallarbeit. Natürlich vergaß sie auch nicht, Hravn den Hals zu kraulen.
    Den Rest des Tages verbrachte sie in Geminis Gesellschaft im warmen Stall und ließ sich in die Geheimnisse des Tarot-Kartenlesens einweihen.
    Es war komplizierter und interessanter als sie sich vorgestellt hatte. Sora stellte in den darauffolgenden Tagen fest, dass Gemini nicht ganz unrecht hatte. Die Karten konnten selbstverständlich keine Zukunft voraussagen oder die genaue Lösung für ein Problem liefern, aber sie erweiterten durchaus den Horizont.
    Die Karten bestanden aus hauchdünnen, geschliffenen Holzplättchen, die mit diversen eingeritzten Bildern versehen waren. Jedes Bild symbolisierte Empfindungen wie Liebe, Hass, Einsamkeit, Lebenskraft oder Ereignisse wie Tod oder Geburt.
    Das Ritual bestand darin, dass man eine Frage stellte, dann die Karten mischte und sie nach vorgeschriebenen Mustern auslegte. Hierbei gab es mehrere verschiedene Varianten, die aber alle auf ein und dasselbe abzielten.
    Der jeweilige Platz, auf dem eine Karte landete, sagte dann zum Beispiel etwas über die Gegenwart, Vergangenheit oder die Zukunft, sowie auch über emotionale und rationale Beteiligungen oder Möglichkeiten aus – natürlich immer in Bezug auf die gestellte Frage.
    Die Horizonterweiterung bestand darin, dass eine Frage oder ein Problem auf diese Weise aus vielen verschiedenen Winkeln beleuchtet wurde und somit Ideen und gedankliche Wege eröffnet wurden, die dem Fragesteller nicht einmal im Traum eingefallen wären.
    Sora empfand das Legen der Karten als aufregend und entspannend zugleich. Außerdem erinnerte es sie an ihre eigenen Magier-Spiele in ihrer Kindheit. Sie hatte eine vage Erinnerung daran, dass ihr Stöckchenwerfen ähnlichen Ursprungs war.
    Diese Erinnerung zeigte genau jenen alten Mann, der das kleine Mädchen mit seinem schwarzen Pegasus begleitet hatte. Vor ihrem inneren Auge tauchte eine Szene auf, in der der Alte inmitten eines Steinkreises saß und Runensteine auf ein kreisrundes, weißes Tuch warf.
    Das Mädchen saß mit großen Augen etwas abseits und beobachtete, wie der alte Mann mit dem freundlichen Gesicht einige Runen zog, vor sich ablegte und sie mit leisem Gemurmel zu interpretieren versuchte.
    Sora wurde bei dieser Erinnerung, die sie mittlerweile als ihre eigene Vergangenheit akzeptiert hatte, ganz warm ums Herz – ein Gefühl von unendlicher Geborgenheit und Vertrauen floss durch ihr Inneres.
    Gemini strich sich ihre Rotfuchshaare hinters Ohr.
    »Mit den Gedanken in der Vergangenheit?«, erriet sie ganz richtig und mischte die Karten.
    Sora warf einen Blick nach draußen. Es hatte den ganzen Vormittag geschneit, doch nun strömte helles Licht durch die Fenster.
    »Ich glaube es klart auf«, sagte sie hoffnungsvoll und warf einen genaueren Blick nach draußen.
    Sora wurde nicht enttäuscht. Die Schneedecke erstrahlte im Schein der ersten Sonnenstrahlen, die sich einen Weg durch die aufbrechenden Wolken suchten.
    Sie lachte Gemini an.
    »Hravn wartet!« Und mit diesen Worten schnappte sie sich ihren warmen Lederpelz und stieß das Tor zu Trymhems Winterwunderlandschaft auf.
     
     
    Zur gleichen Zeit, in einem anderen Teil von Jättehem, kämpften sich vier Wanderer und ein Einhorn durch das unwegsame Gelände.
    Der Schnee lag in hohen Wehen an den steilen Felshängen entlang des Trymfjordes, der sich vom Hvergelmer aus seinen Weg ins Innere des Landes suchte.
    Mehr als eine Woche waren sie unterwegs und marschierten nun den zweiten Tag in Folge einen Pfad im Trymtal entlang. Nachts gruben sie sich an von Jordvätten bewohnten Stellen in den Schnee ein und bauten sich mit Hilfe von Decken eine Art Iglu.
    Über ihnen – in

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