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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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Teil der Insel bestand aus einer mächtigen Burg mit vier hohen Türmen und einem sechseckig angelegten Gemäuer mit vielen kleinen Türmchen, Erkern und Bogengängen.
    Sie näherte sich einem der vier hohen Türme in schwindelerregendem Tempo. Charlie umrundete ihn, bis ein kleines Fenster ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie flog durch die Öffnung und befand sich in einem Raum. Eine Person kam ins Bild:
    Es war Hanna!
    Ihr Haar war etwas länger, als Charlie es in Erinnerung hatte. Es wuchs kräftig rotblond nach. Hanna trug ein bodenlanges, braunes Arbeitskleid mit einer hellblauen Schürze um ihre Hüften. Sie betrat soeben eine kleine Kammer, die im fahlen Zwielicht der Godheim-Monde lag. Sie setzte sich auf ein schmales Bett, offenbar tief in Gedanken versunken. Lange saß sie einfach nur da und starrte vor sich hin, dann erhob sie sich und ging zu dem kleinen Fenster hinüber.
     
    Der lachsfarbene Nebel wirbelte auf und das Bild verschwand. Noch bevor Charlie einen klaren Gedanken fassen konnte, zog der Nebel sich wieder wie von Geisterhand an den Rand ihres Blickfeldes zurück und gab eine weitere Szene frei.
    Charlie hätte fast laut aufgeschrien!
    Jonas! Es war tatsächlich Jonas! Er saß vor einem Stapel Bücher an einem Tisch, auf dem Kerzen verteilt waren. War das die Bibliothek?
    Aufgeregt versuchte Charlie, mehr zu erkennen. Da war Eva, die Bibliothekarin, von der sie die Bücher über nordische Mythologie und über Fabeltiere aus aller Welt ausgeliehen hatte. Der Raum wurde lediglich von Kerzenlicht erleuchtet und Lebensmittel und Decken stapelten sich in einer Ecke des Raumes. Plötzlich zoomte das Bild auf den Titel des Buches, das Jonas in seinen Händen hielt und offensichtlich mit besorgtem Gesichtsausdruck las: »Nordische Göttersagen«.
    So, so, dachte Charlie. Jetzt glaubt er mir also. Immerhin hat er mich auch im Nebel verschwinden sehen …
    Neben Jonas und Eva saßen weitere Personen am Tisch. Ein junger Mann und eine ältere, etwas dickliche Dame mit kurzen Haaren und freundlichen, runden Augen, ein kleiner, stämmiger Junge, der verzückt in einer Zeitschrift blätterte, und eine sportliche Frau mit kurzen, braunen Haaren. Mit Ausnahme des Jungen warfen sie alle besorgte Blicke in Richtung Fenster.
    Charlie rätselte.
    Was war da im Gang?
    Die Stimmung schien angespannt, um nicht zu sagen angsterfüllt. Weshalb starrten die alle so zu dem Fenster hinüber? Weshalb gab es kein Licht? Ein Stromausfall?
    Lachsfarbener Nebel verwirbelte das Bild. Das Fenster nahm jetzt die gesamte Bildfläche ein. Charlie konzentrierte sich und konnte ins Freie blicken.
    Ein Schneesturm tobte. Ein einsames Auto auf dem Parkplatz der Bibliothek war kaum zu erkennen – oder besser gesagt das, was davon übrig war, denn ein dicker Ast hatte es fast zur Gänze unter sich begraben.
    Der wirbelnde Schnee wurde von lachsfarbenem Nebel verdrängt. Erschrocken ließ Charlie den vibrierenden Diamanten los. Sie hätte gerne über das Gesehene nachgedacht, doch der Morgen graute und Charlie wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Hastig watete sie zu der lila Norne hinüber, die ihr, wie sie wusste, die Vergangenheit zeigen würde.
    Sie berührte den summenden Stein in der Mitte der Blüte und das gleißende Licht trug sie mit sich fort. Wirbelnder lila Nebel gab kurz darauf ein Bild frei. Wieder war es totenstill.
    Die Szene war ihr bereits vertraut.
    Ein alter Magier mit langem, grauem Bart saß auf einem Findling und betrachtete einen Irminsul-Steinbruch. Tief in Gedanken versunken paffte er seine Pfeife und blies dabei weißen Rauch durch seine Nase. Es war nicht derselbe Ort, an dem Charlie ihr Irminsul gefunden hatte, denn eine Berglandschaft umgab den Greis. Er saß lange, sehr lange einfach nur da und fixierte das Irminsul.
    Dann erhob er sich und ging zu dem Steinbruch hinüber. Er bückte sich, sammelte einige lose Stücke und betrachtete die mattgrünen Steine auf seiner Handfläche, bevor er sie dann in die Taschen seines Umhanges gleiten ließ.
    Nebel verwischte das Bild, und nun stand der Magier auf einer kreisrunden, blumenübersäten Wiese. Charlie konnte eindeutig erkennen, dass der alte Mann ein Halsband aus purpurrotem Leder trug, an dessen Ende ein grüner Stein hing. Irminsul.
    Außerdem saß da etwas auf seiner Schulter.
    Es ähnelte einer Libelle mit menschlichen Zügen. Mit dem Unterschied, dass Libellen normalerweise nicht sprechen können. Dieses Wesen unterhielt sich eindeutig und

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