Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
aufgeregt mit dem Magier. Es zupfte ihn unsanft an seinem grauen Bart, als er nicht sofort antwortete.
Der Mann sagte etwas, und das Libellenwesen machte es sich auf seiner Schulter bequem. Mit einem missmutigen Gesichtsausdruck verschränkte es seine dünnen, insektenähnlichen Arme und beobachtete, wie der Magier mit einigen Handbewegungen und Worten, die Charlie nicht verstehen konnte, Nebel heraufbeschwor – aus dem Nichts, denn es herrschte strahlender Sonnenschein.
Dann griff der Mann nach dem grünen Anhänger. Er schien nachdenklich und erregt zugleich.
Das Libellenwesen fing noch einmal an, auf den Magier einzureden, doch dieser trat nun entschlossen auf die Nebelwand zu. Das Letzte, was Charlie sehen konnte, waren zwei ängstliche, aufgerissene Augen.
Dann wirbelte der lila Nebel wieder durch das Bild und gab nach einer Weile den Blick auf einen Fluss frei.
Eine junge Frau mit dunkelblonden Haaren und dunkler Haut watete in das kühle Nass des breiten Stromes hinein und ließ ein Kanu im schwarzen Sand des Ufers zurück. Mit kräftigen Zügen schwamm sie flussaufwärts, dann wendete sie sich auf den Rücken und ließ sich von der Strömung zurücktragen. Die Sonnen schienen hell und warm auf die Frau herab.
Es waren drei Sonnen!
Auf dem Brustkorb der Frau war ein glänzender Gegenstand zu erkennen. Es war das Amulett! Weiß und hell hob es sich deutlich von der dunklen Haut ab. Plötzlich schien sich die Frau zu erschrecken! Sie griff nach dem Stein mit den blutroten Linien und tauchte unter. Als sie wieder an die Oberfläche kam, sah sie sich hastig nach allen Seiten um und schwamm geradewegs zum Kanu zurück. Ein verwirrter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.
Kurz darauf erschien ein weiteres Bild.
Es war die junge Frau, doch nun hatte sie eine helle Hautfarbe. Sie stand auf einem Hügel inmitten eines Nebelmeeres. Charlie kannte die Szene, denn sie hatte sie in einem ihrer Träume gesehen. Obwohl sie zu wissen glaubte, was nun kam, sah sie gespannt zu. Die Frau sprach zu jemandem.
Seltsame Wesen hatten den kleinen, grünen Hügel umzingelt und blickten ernst – fast bedrohlich – zu der Frau empor. In ihrem Rücken ragte ein mächtiger Runenstein aus der Erde, weitere grüne Hügelinseln ließen sich im Hintergrund ausmachen. Charlie erkannte, dass es sich um Hügelgräber handeln musste. Davon gab es auch in Smâland sehr viele. Doch diese Frau befand sich eindeutig nicht auf der Erde. Zwischen den grünen Hügeln schossen enorme weiße Kegel in den Himmel, die Charlie an riesige Puffpilze erinnerten.
Die bizarren Wesen am Fuße des Hügels besaßen rüsselähnliche Nasen und vier Arme! Zwei von ihnen machten einen vertrauteren Eindruck. Trotz ihrer riesigen Köpfe zeigten ihre Gesichter menschliche Züge und genau mit diesen beiden Personen unterhielt sich die junge Frau. Dann umfasste sie das Amulett strich sich die Haare aus dem Gesicht und ging mit entschlossenen Gesichtsausdruck den Hügel hinab, in das Nebelmeer hinein.
Der Nebel verfärbte sich Lila, und Charlie verstand, dass diese Vision beendet war. Noch bevor sie darüber nachdenken konnte, ob sie sich eine andere Norne aufsuchen sollte, tauchte das nächste Bild aus einer vergangenen Zeit im flimmernden Licht des Nebels auf.
Ein alter Mann mit fast weißem Haar überreichte einem jungen Mann einen mattgrün schimmernden Dolch.
Ein kurzer lila Nebelschleier zog über das Bild.
Nächste Szene: Erneut tauchte ein Greis auf, er überreichte einem jungen Mann einen mattgrünen Dolch. Gleich darauf wiederholte sich die Sequenz aufs Neue: Ein weiterer älterer Mann, der offenbar denselben Dolch einem Jüngeren aushändigte.
Und auf einmal verstand Charlie: Dieser Dolch wurde offenbar von Generation zu Generation weitergegeben!
Schließlich nahm ein sehr junger Mann mit langen, leicht gelockten braunen Haaren den Dolch entgegen. Charlie konnte ihn nur von hinten sehen. Mattgrün schimmernd lag der Dolch in seinen Händen, bevor er ihn fest am Griff umschloss und seinem Vater zunickte. Man erkannte eindeutig, dass er schwer krank war. Der Jüngling umarmte seinen gebrechlichen Vater und warf sich einen dunklen Umhang über.
Den Dolch fest umklammert, trat der junge Mann zur Tür hinaus, direkt auf Charlie zu. Zwei tiefblaue Augen sahen traurig durch sie hindurch. Langsam füllten sie sich mit Tränen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, schlug er den Weg zum Wald ein.
Charlie folgte ihm mit ihren Blicken, bis die Dunkelheit der
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