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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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so lange auf sich warten ließ, um ihre Abreise hinauszuzögern. Falls der Winter doch noch in voller Stärke über sie hereinbrechen würde, konnten sie erst im nächsten Frühjahr losziehen.
    Charlie und Tora saßen mit Bil, Duva und einer Reihe weiterer Elfen an einem Lagerfeuer und rösteten Jordhuvud-Stücke, die sie auf Holzspieße gesteckt hatten. Außerdem brutzelte ein von Kunar erlegter Leo-griff auf einem Gestell über den tanzenden Flammen. Kunar selbst glänzte allerdings durch Abwesenheit. Enttäuscht warf Tora immer wieder suchende Blicke über ihre Schultern.
    Der Besuch bei den Nornen gehörte wieder einmal zu den Dingen, die Kunar verwehrt blieben, genauso wie die Magie. Offensichtlich bestärkte die festliche Stimmung, die für die Frauen des Lagers in den außergewöhnlichen Nornenvisionen gipfeln würde, lediglich Kunars Gefühl der Ausgrenzung.
    Wieder einmal gehörte er nicht dazu.
    In Odens Gesellschaftsordnung war es Frauen unter Androhung von Kerker verboten, bei Doppelvollmondnächten ihre Höfe und Dörfer zu verlassen. Oden verwehrte Frauen den Zugang zum Wissen der verschiedenen Zeitalter schon alleine deshalb, weil Männer den Rat der Nornen nicht einholen konnten.
    Berührten männliche Wesen die betörend lockenden Diamanten in der Mitte der Nornen, verwandelten sich diese in rasiermesserscharfe Klingen. Die Nornen saugten das Blut ihrer Opfer auf, und die Diamantklingen wurden über den See katapultiert. Dort, wo sie auf dem Wasser aufschlugen, entstanden neue, kleine Seerosenbälle. Die Männer kamen dabei meist ums Leben.
    Kunar hatte die Gefährlichkeit der Nornen am eigenen Leib erfahren. Doch zum Glück hatte er lediglich eine Wunde am Finger davongetragen, da Biarn ihn rechtzeitig von den Nornen fortgerissen hatte. Ansonsten wäre er von den umherfliegenden Diamantklingen getötet worden.
    Charlie konnte es Kunar deshalb nicht verdenken, dass er sie dieses Mal nicht an den See begleiten wollte.
    Nach dem Gehabe der Schwarzelfenweiber zu urteilen, gehörte diese Nacht sowieso nur den Frauen. Tora und Charlie ließen sich von der Fröhlichkeit der Schwarzelfen anstecken. Erregung lag in der kühlen Nachtluft.
    »Es ist unglaublich«, flüsterte Tora Charlie aufgeregt zu. »So muss es gewesen sein, bevor Oden den Frauen verboten hat, die Nornen zu besuchen! Obwohl es schon so lange her ist, habe ich Frauen darüber reden hören. Sie berichteten von großen Festen, bei denen sie eine Sonderstellung einnahmen – ehrwürdig behandelt wurden, mit fast göttlichem Glanz. Ich habe die Erzählungen für völlig übertrieben gehalten, obwohl die Vorstellung natürlich verlockend war, wie ein märchenhafter Traum. Jetzt kann ich mir annähernd vorstellen, wie es sich damals zugetragen haben muss.«
    Charlie verstand, was Tora meinte. Laut den Legenden der alten Zeit hatten Frauen früher eine Vormachtstellung. Wer das Wissen der Nornen über die verschiedenen Zeitalter richtig deuten konnte, musste eindeutig einen Vorteil haben. Die Ehrfurcht vor den Zeremonien der Doppelvollmondnacht war durchaus nachzuvollziehen.
    »Ja. Und es wundert mich nicht, dass Oden den Frauen das Befragen der Nornen verboten hat«, sagte Charlie und sah sich zwischen den vielen Schwarzelfenweibern um, die fast konspirativ miteinander feierten.
     
    Mitternacht war lange vorbei, als die Elfenweiber endlich in Aufbruchsstimmung gerieten. Charlie und Tora erhoben sich und verfolgten mit ihren Blicken das geschäftige Treiben der Schwarzelfen.
    Der kleine Vanaheimmond erstrahlte viel heller als die riesige, fahle Scheibe des Godheimmondes. Die Nacht war klar und das Himmelszelt sternenübersät. Charlie trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und Tora atmete tief durch, um Ruhe zu finden.
    Endlich setzte sich die Schar der Schwarzelfenweiber unter Zurufen ihrer Männer in Gang. Die Männer wünschten ihren Frauen in Feierlaune viel Glück und viel Spaß. Charlie und Tora, die sich noch einmal vergeblich nach Kunar umsahen, folgten ihnen.
    Gerade als Charlie überlegte, wie lange sie bei diesem Schneckentempo wohl zum See hinunter brauchen würden, stießen die Elfenweiber grelle Pfiffe aus. Nur wenige Momente später huschten aus Löchern im Boden – Charlie traute ihren Augen kaum – Heerscharen von großen Mäusen!
    Perplex beobachteten Charlie und Tora, wie sich jede Schwarz-elfenfrau eine Maus aussuchte und sich auf den zappelnden Nager schwang.
    »Es kann losgehen!«, rief Bil und wendete ihr Reittier

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