Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
Vom Netzwerk:
Sie war so stark und so mutig. Und sie war freundlich zu ihm. Zumindest meistens. Dass sie oft die Augen verdrehte und ihn spöttisch ansah, übersah er geflissentlich. Er war froh darüber, dass sich so ein hübsches Mädchen überhaupt mit ihm unterhielt.
    Nur deshalb stand er nun hier. Sie tat zwar gefügig, aber er hatte sie durchschaut. Sie führte irgendetwas im Schilde, hatte zu diesem Zweck Lebensmittel gestohlen und war nun auf dem Weg zum großen Südtor!
    Aslak hatte gehofft, Hanna hier nicht anzutreffen, aber eine innere Stimme hatte ihm gesagt, dass sie diesen Ort aufsuchen würde. Sie hatte in den letzten Tagen viel zu viel Interesse am Südflügel gezeigt und Aslak gab sich selbst die Schuld daran, da er ihr von diesem erzählt hatte.
    Ungelenk trat er von einem Fuß auf den anderen. Die Röte hatte seine Ohren erreicht.
    »Du darfst hier nicht hineingehen!«, sagte er mutiger als er sich fühlte.
    Da war er wieder, dieser spöttische Blick.
    Hanna sah zu Aslak auf. Er war fast zwei Köpfe größer als sie, obwohl er genau wie sie selbst erst 16 Jahre alt war.
    »Geh mir aus dem Weg! Das hier ist meine Sache!«, schnauzte sie ihn an.
    Doch Aslak schüttelte den Kopf. Seine vielen Sommersprossen gingen nun im tiefroten Farbton seines Gesichts förmlich unter.
    »Nein! Du darfst dort nicht hinein! Es ist verboten! Du ahnst ja gar nicht, was sie mit dir machen werden, wenn sie dich erwischen!«
    Hanna tat dies mit einer Handbewegung ab.
    Ja doch, sie hatte da durchaus so einige Ahnungen.
    Aslak schwitzte vor Aufregung. Er fuhr sich unsicher durch seine kurzen, blonden Haare, die ihm förmlich am Kopf festklebten.
    »Reg dich ab, Aslak!«, stieß Hanna hervor. »Du stehst ja kurz vor einem Herzinfarkt!«
    Aslak sah sie verwundert an.
    »Einem was?«, fragte er verwirrt und vergaß für einen Augenblick seine Furcht. Er sah aus wie ein lebendes Fragezeichen und Hanna musste unwillkürlich grinsen.
    »Schon gut«, sagte sie etwas freundlicher. »Ist nicht so wichtig.« Hanna überdachte ihre Optionen. Sie wollte sich die Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen. Das Beste würde es sein, sich Aslak zum Verbündeten zu machen, aber das würde auch bedeuten, dass sie ihn unter Umständen in Gefahr brachte.
    Soll ich ihn einfach mitnehmen?
    Ehe sie weiterdenken konnte, hörte sie plötzlich Schritte!
    »Los, komm!«, zischte Hanna und zog den entsetzten Burschen hastig in die nächstbeste dunkle Mauernische.
    Die Schritte wurden lauter, und einer von Odens Bärsärkern kam in Sichtweite. Hanna presste sich – und damit auch Aslak – noch dichter an die Wand. Mit grimmigem Gesicht schritt die Wache vorbei und entfernte sich rasch. Hanna atmete auf.
    »Los, weiter«, flüsterte sie und zog Aslak mit sich fort. Er folgte ihr zitternd, aber gefügig wie ein Hund. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Südtor.
    Aslak begann Widerstand zu leisten.
    »Nein«, wisperte er. »Wir können dort nicht hinein!«
    Hanna zischte ihn an.
    »Entweder du kommst jetzt mit mir oder du kehrst um und lässt dich erwischen! Aber ich rate dir, mich nicht zu verraten! Das würdest du bereuen, das schwöre ich dir!« Mit diesen Worten huschte Hanna durch den riesigen Torbogen des Südtors und fand sich in einem breiten, fackelbeleuchteten Gang wieder, der auf ein enormes, goldenes Tor zuführte. Völlig überrascht stand sie da und zuckte erschreckt zusammen, als ihr jemand von hinten auf die Schulter tippte.
    Sie wirbelte herum.
    »Aslak!«, zischte sie vorwurfsvoll. Blass und mit vor Schreck geweiteten Augen stand Aslak vor ihr und zitterte am ganzen Körper. Aslak wäre glatt mit einem Gespenst zu verwechseln gewesen. Sogar seine Sommersprossen waren verblasst.
    »Entschuldige …«, haspelte Aslak kaum hörbar und starrte nun seinerseits auf das große, goldene Tor.
    »Das ist der Eingang zum Gladsal!«, flüsterte er ehrfurchtsvoll und ging an Hanna vorbei auf die goldene Tür zu. Sie sah ihm kopfschüttelnd nach und folgte ihm dann schnell.
    Aslaks Neugierde war also endlich geweckt.
    Er schob das goldene Tor einen Spalt breit auf. Hanna lugte unter seiner Achsel hindurch in einen erstaunlich hellen, großen Saal. Aslak schob das Tor weiter auf. Dann schlüpften sie in das Innere.
    »Es ist genau so, wie es erzählt wird!«, hauchte er, während er sich überwältigt umsah. »Märchenhaft!«
    Hanna musste ihm Recht geben. Der gesamte Saal war mit Gold bedeckt! Die Wände, die riesige gewölbte Decke, die Stühle und Tische,

Weitere Kostenlose Bücher