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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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wie ihr, dieses Gnipahâl …«
    Sie wiegte ihren Kopf hin und her, dann glitt sie kraftlos an den Gitterstäben ihres Gefängnisses herab.
    Hanna griff unter ihre Schürze und holte das Stück Brot und die Wurst hervor. Es sah nicht so aus, als würde sie heute noch Asgârd verlassen, also konnte diese ausgemergelte Frau wohl auch ihren Reiseproviant bekommen. Hanna warf erst das Brot und dann die Wurst hinüber.
    Wortlos griff diese danach und begann hastig zu kauen. Dann machte sie etwas, das Hanna laut aufrufen ließ!
    Sie brach ein Stück Wurst ab und warf es dem Garm vor die Füße, der sofort den Leckerbissen gierig hinunterschluckte.
    »He!«, rief Hanna empört. »Was soll denn das! Wenn du es nicht brauchst, kannst du es uns gerne zurückgeben!«
    Die Alte hob abschätzend die Augenbrauen. Ihre Stimme nahm einen belehrenden Unterton an.
    »Du urteilst schnell, mein Kind! Nicht jedes furchterregende Wesen ist im Grunde seines Herzens schlecht und böse!«
    Hanna verzog die Mundwinkel.
    »Ach ja? Er wollte uns gerade zerfleischen!«
    Die Alte nickte.
    »Ja, heute würde er es tun. Eine Nacht lang ist er eine wilde Kreatur, aber einen Mondzyklus lang ein weises und stolzes Wesen.«
    Aslak schien wieder halbwegs zu sich gekommen zu sein.
    »Ein Fenriswolf. Er wird jede Vollmondnacht zu einem Garm, einem Wesen ohne Sinn und Verstand. Doch die übrigen Tage des Monats lebt er still und zurückgezogen im Wald Järnveden im Herzen von Godheim … Am Fuße von Jättehem, der größten Bergkette dieser Welt«, flüsterte er.
    Der Garm heulte wieder laut los, dass Aslak zusammenfuhr.
    Die Alte nickte und biss erneut vom Brot ab.
    »Oden hält sich zwei Fenriswölfe als Gefangene. Freke und Gere«, sagte sie. »Zu jeder Vollmondnacht lässt er sie aus ihren Zwingern heraus, um sie zum Beispiel hier im Gnipahâl an Gleipners Fesseln als Wächter einzusetzen.«
    »Was sind Gleipners Fesseln?«, fragte Hanna, die nicht erkennen konnte, wie und wo der Garm angebunden war.
    »Es sind von Schwarzelfen geschmiedete Fesseln. Unbezwingbar, unzerstörbar. Du kannst sie im Mondlicht schimmern sehen«, antwortete die Alte.
    Tatsächlich!
    Jetzt konnte Hanna sie ausmachen. Hauchdünne, silberglänzende Fäden liefen über den steinernen Fußboden des Kerkergewölbes von Gnipahâl. Sie schienen den Bewegungen des Garms geschmeidig zu folgen, wie ein gewaltiges Netz aus glitzernden Seidenfäden.
    »Gleipners Fesseln erlauben ihm nicht, das Gewölbe zu verlassen, aber hier drinnen kann er sich frei bewegen. Nach einem Monat in einem engen Zwinger kann er endlich seinem Bewegungsdrang nachgeben. Ein trostloses Leben. Nach seiner Verwandlung zurück zum stolzen Fenriswolf kann er sich an kaum etwas erinnern. Dieses Stück Wurst wird er allerdings nicht vergessen, denn er wird es noch schmecken, wenn er schon lange wieder in seinem Käfig sitzt. Gefangen, beengt und allein«, erklärte die Frau.
    Hanna begann zu verstehen. Sie sah dem Tier zu, wie es ruhelos umherwanderte. Ein Wesen, dessen Gewalttätigkeit in Vollmondnächten ausgenutzt wurde, damit die üblichen Wachen dieses stinkende Loch Gnipahâl meiden konnten. Sie fühlte so etwas wie Mitleid für den Garm. Dann riss sie sich vom Anblick des Monsters los, das vorgehabt hatte, sie zu verspeisen.
    Aslak rührte sich neben ihr. Er räusperte sich.
    »Wer seid Ihr, wenn ich fragen darf? Und weshalb werdet Ihr hier gefangen gehalten?«, fragte er respektvoll.
    »Man nennt mich die alte Fulla mit ihrem Kräuterwagen«, antwortete sie mit stolzer Stimme.
    Hanna horchte auf.
    Hatte sie diesen Namen nicht schon einmal gehört?
    »Bist du eine Magierin?«, fragte sie ohne Umschweife.
    Fulla sah Hanna spöttisch an.
    Aber es war Aslak, der antwortete.
    »Nur eine Magierin wäre es wert, eingesperrt und nicht getötet oder versklavt zu werden«, flüsterte er.
    »Kluger Junge!«, nickte Fulla anerkennend.
    Hanna verdrehte die Augen.
    Aslak und klug? Natürlich wusste er mehr über die Bräuche dieses Planeten als sie selbst, aber das machte ihn noch lange nicht klug!
    »Kanntest du einen Jungen namens Charlie?«, fragte sie dann. Kunar und Charlie hatten ihr von ihrem Abenteuer mit dem Midgârdsorm erzählt.
    »Wer will das wissen?«, fragte die Alte misstrauisch. Hanna beschloss, es mit der Wahrheit zu versuchen.
    »Ich heiße Hanna und ich kannte Charlie. Ich komme genau wie er von der Erde. Von Mannaheim.«
    Fulla zog sich an den Gitterstäben hoch und starrte Hanna an.
    »Mannaheim«,

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