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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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Blick.
    »Ich habe gesehen, dass du während meines Kampfes wie versteinert warst. Deine Fylgja stand im Gegensatz zu dir fauchend an der Linie des Zirkels. Sie war bereit für den Kampf.«
    »Ich war so verwirrt …«, versuchte sich Charlie zu rechtfertigen. »Ich meine, all die seltsamen Dinge aus der Vision ... und dann plötzlich waren sie da … ich wusste zuerst gar nicht, was Vision und was Wirklichkeit war…«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Charlie«, sagte Biarn. »Was ich damit sagen wollte, war, dass deine Seele – dein Innerstes – offenbar keinen Schaden genommen hat. Oden hat es nicht geschafft, dich zu zerstören. Nicht einmal durch seinen eindeutigen Sieg über dich. Du bist aus dieser Erfahrung kräftiger denn je hervorgegangen. Oden kann nicht noch einmal darauf hoffen, ein solch leichtes Spiel mit dir zu haben. Wenn du das nächste Mal vor ihm stehst, besitzt du die Macht deines Begleiters.«
    »Wie?«, fragte Charlie aufgeregt und skeptisch zugleich.
    »Die Fylgjen sind für die meisten Menschen und Magier unsichtbare Begleiter. Wer seine Fylgja allerdings sehen kann, hat die Möglichkeit, diese bewusst einzusetzen. Man kann lernen, sie zu lenken. Ich kann meinen Räsvälg auf Erkundungsflüge vorausschicken und durch seine Augen sehen. Ich kann ihn bewusst in den Kampf schicken und ihn aber auch genauso bewusst davon abhalten. Gemeinsam sind wir viel stärker als jeder einzelne. Wir können zusammenarbeiten.«
    Charlie begann zu verstehen. Ihr Begleiter würde nicht nur so etwas wie ein Schutzengel sein, sondern ein Partner.
    »Kannst du mit deiner Fylgja sprechen?«, fragte Charlie.
    »Auf gewisse Weise schon. Nicht so wie mit dir natürlich, aber in Gedanken… ja, ich würde sagen, dass ich mit meinem Räsvälg spreche.« Charlie runzelte die Stirn. Biarn lächelte.
    »Du wirst es erfahren, wenn es so weit ist.«
    Schon wieder warten. Schon wieder Geduld.
    Charlie war unzufrieden.
    »Und vermutlich kannst du mir auch nicht genau sagen, wie ich mit meiner Fylgja sprechen werde, weil es bei jedem anders ist«, sagte Charlie ironisch.
    Zu ihrem Erstaunen schüttelte Biarn den Kopf.
    »Oh, nein«, sagte er beschwingt. »Dieses Mal nicht. Es wird so sein wie bei mir. Ihr werdet euch geistig austauschen.«
    Und wie sollte das gehen?
    War ihr Begleiter dann ständig in ihrem Kopf? Würde er ihre Gedanken lesen?
    Eine Zeit lang ritten sie schweigend nebeneinander her.
    »Wo ist mein Drache jetzt?«, fragte Charlie plötzlich.
    »Sie läuft uns voraus. Sie ist noch nicht flugfähig. Nun ja, laufen ist nicht ganz richtig. Hüpfen, springen und an allem schnuppern was ihr unterkommt, trifft es wohl besser.« Charlie lächelte. Sie versuchte sich ihre Fylgja vorzustellen und konnte es kaum abwarten sie wirklich zu sehen.
    »Und dein Räsvälg?« Biarn warf einen Blick in den Himmel.
    »Er zieht seine Kreise über uns.« Was Charlie nicht erfuhr, war, dass der riesige Vogel nicht nur Biarn beschützte. Er hielt ein ständig wachsames Auge auf Charlies verspielte Drachendame, blickte aber leicht irritiert auf ihr Gebaren herab. Er besaß für solch kindliches Verhalten zu viel Würde.
     
    Charlie und Biarn übernachteten an einer von einem Jordvätten bewohnten Schutzstätte. Charlie hatte gelernt, dass solche Orte der Allgemeinheit dienten und Reisenden Schutz vor den Gefahren der Nacht boten. Als sie im Schein eines Lagerfeuers saßen, konnten sie am mondhellen Nachthimmel große Scharen von Nidhöggs vorüber-ziehen sehen. Die Wesen aus der Schattenwelt waren nicht auf der Jagd. Sie schienen alle ein gemeinsames Ziel zu haben. Sie flogen gen Norden. Biarn war beunruhigt.
    »Das kann nichts Gutes bedeuten«, murmelte er. Auch ohne zu wissen, was Biarn meinte, pflichtete Charlie ihm bei.
    Konnten Nidhöggs jemals etwas Gutes bedeuten?
    »Sie leben in Familien mit fünf bis zehn Mitgliedern«, sagte Biarn und erhob sich. Er sah den Nidhögg-Gruppen nach, die über ihr Nachtlager hinwegzogen. Es mussten Hunderte sein. Charlie bekam eine Gänsehaut. Sie konnte sich dem beklemmenden Gefühl nicht entziehen, das sich ihrer bemächtigte. Sie räusperte sich und fingerte nach ihrem Hexenstein. Warme, beruhigende Energie ging von ihm aus.
    Biarn stand aufrecht da. Seine Kapuze hatte er weit ins Gesicht gezogen.
    »Sie versammeln sich … im Norden …«, murmelte Biarn. »Das kann nur eines bedeuten: Sie haben beschlossen, Oden zu dienen …«
    Charlie horchte auf. Sie wusste, dass diese Wesen

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