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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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voran, denn Charlie hatte seine Zügel übernommen. Oski lief voraus und kündigte ihr Kommen an.
    Am Ortseingang stand eine Schale mit getrockneten Blüten, doch weder Charlie noch Tora hatten Augen dafür.
    Kunars Zustand war ernst. Sein Körper war mit Wunden übersät. Am schlimmsten betroffen waren seine Hände. Offenbar hatte er versucht, sein Gesicht zu schützen.
    Diese Nixenwesen – die Dorfbewohner nannten sie Marmenillen – waren nur etwa 20 bis 30 Zentimeter groß und sahen so harmlos aus mit ihrem lila Fischschwanz und dem menschlichen Oberkörper – und doch waren sie extrem gefährlich. Wie so oft bei kleinen Tieren, machte ihre schiere Zahl die Gefahr aus. Der Biss der Marmenillen war nicht giftig, doch sie waren Aasfresser. Das konnte bei den Opfern zu schweren Entzündungen führen.
    Im Fischerdorf lebte kein Bjarka, doch es gab einige Heilkundige unter den Bewohnern. Sie brachten Tora und Charlie ihre Heilkräuter und die beiden taten ihr Bestes. Gemahlener Nidhöggzahn stoppte die Blutungen.
    Charlie half Tora bei der Auswahl der Kräuter und übernahm abwechselnd mit ihr Kunars Pflege.
    Oskis Familie hatte die drei Jugendlichen bei sich aufgenommen. Die gesamte Dorfgemeinschaft nahm an Kunars Schicksal Anteil. Für sie war es nicht das erste Mal, dass sie Marmenillenopfer pflegten. Und sie waren allesamt von einem unbändigen Hass auf Oden und seine Bärsärker erfüllt. Aber auch von furchtbarer Angst.
    Da ihr Dorf so nahe bei der Felseninsel lag, wurden sie öfter als andere Küstenbewohner von Asgârds Bärsärkern heimgesucht.
    Alvablotet lag in frischer Erinnerung. Nagelfar war vor ihrem Dorf vor Anker gegangen. Die meisten Dorfbewohner hatten sich rechtzeitig bei Verwandten und Freunden in Sicherheit bringen können, doch die Bärsärker hatten auch in den Nachbardörfern gewütet. Vergewaltigte Frauen, ermordete Männer und entführte Kinder – der Schrecken der Gewaltnacht saß ihnen allen noch in den Gliedern.
    »Und dass die Marmenillen Menschen angreifen, das haben wir auch Oden zu verdanken«, erzählte Arne und schlug dabei aufgebracht mit der Faust auf den Tisch. »Oden hat sie angefüttert! Er entsorgt regelmäßig Leichen in unserem Teil des Hvergelmers. Die Marmenillen sind so auf den Geschmack gekommen. Sie riskieren alles für Menschenfleisch!«
    Charlie und Tora waren sprachlos.
    Hier an der Küste Vanaheims regierten Angst und Schrecken, und sie hörten noch mehr Geschichten, bei denen ihnen die Haare zu Berge standen.
    Seit dem Vorfall auf dem Meer beunruhigte Charlie der Gedanke an ihren Abwehrzauber. Sie hatte Angst davor, wie die Dorfbewohner auf ihre magischen Fähigkeiten reagieren würden – ein ungetaufter Bjarka, ein illegaler Magier. Denn auch im Dorf hielten alle Charlie für einen Jungen.
    Arne hat den Zauber eindeutig gehört. Ob auch Oski etwas mitbekommen hat?
    Charlie wartete ab und hoffte insgeheim, dass Arne die Begebenheit bei all der Aufregung vergessen hatte. Und so unwahrscheinlich es ihr auch vorkam, so wurde sie wie durch ein Wunder nicht darauf angesprochen.
    Aber da war noch etwas.
    Hatte Biarn nicht gesagt, dass der Dreifingerschutz nur bei magischen Gefahren funktionierte? Dass man normale Gefahren damit nicht abwehren konnte? Weshalb waren die Marmenillen dann aber an dem Zauber abgeprallt wie an einer Wand?
    Man konnte mit Magie kämpfen, auch gegen nicht magische Wesen, das wusste Charlie. Deshalb mussten Magier sich auch zu erkennen geben. Sie wurden getauft und bekamen ihren Magiernamen, sodass jeder wusste, mit wem er es zu tun hatte. Der Dreifingerschutz zählte nicht als Waffe. Aber Charlie hatte ihn im Kampf gegen die Marmenillen als solche verwendet.
    Vielleicht hatte es deshalb funktioniert? Oder die Marmenillen hatten magische Fähigkeiten. Das wäre natürlich eine logische Erklärung.
    Charlie schlief schlecht. Ihre Angst, als illegale Magierin entlarvt zu werden, und ihre anhaltenden grünen Träume wechselten sich mit dunklen, angsteinflößenden Szenen ab. Sie sah eine verschwommene Gestalt im Nebel, die von kapuzenbehangenen Bärsärkern umringt war. Der Albtraum endete stets in einer Feuersbrunst, die ein ganzes Dorf verschlang, und Charlie wurde das Gefühl eines déjà-vu-Erlebnisses nicht los. Es kam ihr so bekannt vor.
     
    Zum wiederholten Male wachte Charlie schweißgebadet auf. Es war mitten in der Nacht des fünften Tages im Haus von Oski und seiner Familie. Im Dunkeln schlich sie ins Nebenzimmer hinüber. Eine

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