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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
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Geschwister würden etwas Zeit für sich alleine brauchen.
    Charlie ging in die Küche und überbrachte die gute Nachricht. Über der Feuerstelle hing ein dampfender Kessel. Es roch nach Essen. Charlie hatte die Kochkünste von Oskis Frau Toroi schätzen gelernt – und ihre Freundlichkeit. Die untersetzte Frau mit roten Apfelbacken und langen, schon leicht ergrauten Haaren, die sie wie Tora zu einem Zopf geflochten trug, hatte sie herzlich aufgenommen, obwohl sie mit ihren beiden lebhaften Kindern eigentlich alle Hände voll zu tun hatte.
    Die beiden Quälgeister stritten sich gerade um einen dicken Stock, der bei näherem Hinsehen eine geschnitzte Figur darstellte.
    »Hört auf damit!«, wetterte Toroi und trocknete sich ihre Hände an der sandfarbenen Schürze ab, die sie über dem braunen Kleid trug. Auch ihre Kinder waren in braunem Stoff gekleidet: Ein kleines Mädchen, ebenso rundlich wie ihre Mutter, und ein etwas größerer, stämmiger Junge, der eindeutig nach seinem Vater Oski kam.
    Die Familie besaß nicht viel. Wie alle im Dorf kämpfte auch sie täglich ums Überleben. Trotzdem half sie gerne. Charlie wünschte, sich revanchieren zu können, doch alle ihre Sachen lagen auf dem Grund des Hvergelmers. Sie war auf die Hilfe dieser liebevollen und armen Menschen angewiesen.
    Charlie sah dann, wie Toroi glibberige Spinnenbeine in einem Topf umrührte.
    »Was ist das? Kann man die etwa essen?«, fragte Charlie und hoffte insgeheim, dass es sich nicht um ihr Mittagessen handelte.
    »Sie sind für Fina, Arnes älteste Tochter. Die Mara ist in der Doppelvollmondnacht in sie gefahren. Es geht ihr seitdem sehr schlecht. Spinnenbeinmet ist außer Gudalokiblüten die einzige Medizin, die uns gegen die Mara zur Verfügung steht. Leider scheint keines von beiden bei Fina anzuschlagen«, antwortete Toroi bekümmert.
    »Die Mara?«, fragte Charlie und hoffte, dass sie Toroi dazu bringen konnte, mehr zu erzählen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung was die Mara war.
    Charlie berührte nachdenklich die klebrigen Spinnenbeine. Sie konnte keine Heilwirkung spüren.
    Was auch immer eine Mara war, damit konnte man sie bestimmt nicht bekämpfen.
    »Ich bringe es Arne und Sigrid nachher hinüber. Du und Tora, ihr versteht etwas von Heilkunde. Vielleicht kann irgendein Kraut ihr Leiden lindern.«
    »Kann ich diese Gudalokiblüten einmal sehen?«, fragte Charlie.
    Vielleicht taugten die ja mehr.
    »Ich habe keine, aber Sigrid. Wenn durch die Spinnenbeine nicht bald eine Besserung eintritt, wollte sie es noch einmal mit den Blüten versuchen«, antwortete Toroi.
    Sie ging zur Feuerstelle, rührte in dem dampfenden Kessel um, der neben dem Topf mit den Spinnenbeinen stand, und füllte etwas Suppenbrühe in eine hölzerne Schüssel.
    »Hier«, sagte sie. »Das wird deinem Freund gut tun. Er muss erst langsam an feste Nahrung herangeführt werden.«
    Charlie nahm dankbar die Schüssel entgegen. Sie zögerte.
    »Ich weiß wirklich nicht, wie wir euch jemals für eure Hilfe danken sollen. Wir stehen tief in eurer Schuld«, sagte sie dann leise.
    Toroi winkte ab.
    »Schon gut, mein Junge. Ich glaube fest daran, dass sich Freundlichkeit irgendwann auszahlt.« Sie zwinkerte Charlie aufmunternd zu. »Und jetzt geh, bevor die Brühe kalt wird.«
    Kunar lag blass und wundenübersät in den Kissen und unterhielt sich leise mit Tora, die sich offensichtlich beruhigt hatte. Beide schauten auf, als Charlie das Zimmer betrat.
    »Das ist Brühe. Toroi hat sie gemacht«, sagte sie.
    »Die Frau dieses Hauses?«, fragte Kunar.
    Charlie nickte.
    »Es müssen gute Menschen sein«, murmelte er.
    »Ja, das sind sie«, bestätigte sie.
    Tora half Kunar in eine aufrechte Position. Die Anstrengung trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Er schnaufte.
    »Hier.« Charlie reichte Kunar die Schüssel.
    »Vielen Dank, Charlie«, sagte Kunar und lächelte. Charlie lächelte zurück.
    Während Kunar seine Suppe löffelte, unterhielten sie sich. Charlie fragte nach der Mara.
    »Ich habe davon gehört«, sagte Tora stirnrunzelnd. »Quälende Träume werden einer vorüberfliegenden Mara zugeschrieben. Nicht auszudenken, wie es jenen ergeht, für die sie tatsächlich gedacht ist.«
    »Aber was ist eine Mara?«, fragte Charlie.
    »Hm … Ja, es ist wohl eine Art Geist, glaube ich. Böse Magie, ein Fluch, der von einem Magier geschickt wird, um jemanden zu quälen. Wenn ich das richtig verstanden habe, vergiftet eine Mara Geist und Seele. Wer von ihr besessen ist, neigt

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