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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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in Bewegung sein. Also macht, dass ihr fortkommt, ehe ihr uns mit eurer Unruhe noch ansteckt.«
    Sie wedelte mit der Hand, als wolle sie eine lästige Fliege verscheuchen, und lehnte sich dann gähnend gegen Sörens Schulter, der die Arme um sie schlang.
    Alisa zuckte mit den Achseln und wandte sich ab. Sie lief die letzten beiden Treppen hinunter und stieß dann mit Schwung die Tür des Speicherhauses auf. Leo folgte ihr auf die Straße hinaus. Alisa blieb stehen und sog tief die Luft ein. Es war kühler als gestern. Die drückend schwülen Sommerabende waren nun endgültig vorüber. Die Luft roch ein wenig modrig nach Brackwasser und Fisch und nach dem beginnenden Herbst. Darunter mischten sich die Gerüche der Waren, die bereits in den ersten fertiggestellten Speichern lagerten, Kaffee und Tee und eine Symphonie aus Gewürzen: Pfeffer und Safran, Anis und Nelken. Überlagert wurde der feine Duft vom herben Geruch der Arbeit, den die riesige Baustelle auf dem Wandrahm ausstrahlte. Wo sich noch vor wenigen Jahren prächtig barocke Kaufmannshäuser und weiter südlich ein Gewirr an Gassen durch verschachtelte Wohnblöcke gezogen hatten, sollte nun eine ganz neue Stadt entstehen. Nicht für die vielen Tausend Menschen, die man von hier vertrieben hatte. Eine Stadt für die Waren, die die Schiffe aus aller Welt brachten und die hier umgeladen und verteilt wurden. Eine Speicherstadt für den Freihafen, den die Hamburger sich vom eisernen Kanzler Bismarck erstritten hatten. Noch waren erst ein paar der riesigen Speicherbauten aus rotem Backstein fertig.
    Einen der ersten fertigen Speicher hatte Dame Elina für den Clan der Vamalia erworben, sodass sie nun nach fast drei Jahren heimatlosem Umherziehen wieder ein Domizil gefunden hatten, nicht weit entfernt von den beiden Kaufmannshäusern, in denen sie früher gewohnt hatten und die dem Bau der Speicherstadt zum Opfer gefallen waren.
    Alisa lief los. Sie stürmte den Wandrahm entlang und eilte auf die Brücke zu, die den Zollkanal überspannte, wie er jetzt hieß. Leo folgte ihr in lässig schlenderndem Schritt und war doch kaum langsamer als sie. Mitten auf der Brücke hielt Alisa inne und wandte sich zu ihm um.
    »Was ist?«, erkundigte er sich.
    Alisa hob die Schultern und ließ sie dann wieder fallen. Sie stützte ihre Arme auf das Brückengeländer und sah auf das dunkle Wasser hinab, das noch immer, von der Ebbe gezogen, zurückwich.
    »Bin ich wirklich so schlimm?«
    »Ein Irrlicht?« Leo stellte sich neben sie, sodass sich ihre Arme berührten. »Nun ja, die Ruhe in Person bist du nicht gerade. Seit wir hier sind, bist du unablässig auf der Suche nach Neuem.«
    »Ich frage mich wirklich, wie Chiara zufrieden sein kann, wenn sie einfach nur herumsitzt. Mir reicht das nicht«, fügte Alisa hinzu und konnte selbst hören, wie traurig ihre Stimme klang.
    »Ich weiß, dass du die Akademie vermisst. Aber diese Zeit ist vorbei, du kannst sie nicht zurückholen … « Sie führten diese Unterhaltung nicht zum ersten Mal, doch auch diesmal konnte Leo ihr nicht helfen.
    Sie schwiegen beide und sahen auf das Wasser hinab, das bald seinen niedrigsten Stand erreicht haben würde. Eigentlich hätte sich Leo unter Schmerzen winden müssen, denn außer den Vamalia konnten Vampire am Meer gelegene Flussläufe und Kanäle nur beim Wechsel der Gezeiten queren, doch Leo hatte schnell von den Vamalia gelernt und überwand die Brücken bereits wie Alisa, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Ich brauche eine Aufgabe. Ich möchte nützlich sein, für meinen Clan, verstehst du das nicht?«
    »Nicht so ganz«, gab Leo zu. Wieder schwiegen sie.
    »Langweilst du dich denn nicht?«, erkundigte sie sich nach einer Weile.
    »Nicht mehr als früher. Immerhin dürfen wir jetzt auf die Jagd gehen und uns selbst mit Menschenblut versorgen. Und wir können zusammen jagen, das ist doch ein Fortschritt, nicht?«
    »Ja, schon«, gab Alisa zögernd zu. Natürlich war es schön, dass Leo bei ihr war, aber  …
    »Aber ich bin dir nicht genug. Du vermisst unsere Freunde«, fügte Leo hinzu und zog eine Grimasse, die seinen Unmut ahnen ließ.
    Er unterbrach Alisas halbherzigen Protest und griff in seine Jackentasche.
    »Da fällt mir ein, es ist Post gekommen. Aus Rom!« Er hielt ihr einen versiegelten Umschlag hin.
    »Von Luciano und Clarissa?« Alisas Augen leuchteten, und sie schnappte sich das Kuvert, das an sie beide adressiert war.
    »Du hast den Brief noch nicht gelesen?«, rief sie fast

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