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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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andere Gründe geben könnte, die sein Verschwinden erklären würden.
    Es war Hindrik, der aussprach, was Alisa krampfhaft versuchte, nicht zu denken.
    »Sie werden nun nach Clarissa doch nicht auch noch Tammo in ihre Gewalt gebracht haben?«
    »Nein«, zischte sie zwischen den Zähnen hindurch, denn diese Möglichkeit wollte sie in ihren Gedanken nicht zulassen. »Er ist nur ein trotziges Kind und ganz und gar unzuverlässig!«
    »Und wo ist Luciano?«
    Während sie den Männern durch ein Gewirr von Gassen folgten, versuchte sie, Kontakt mit dem Nosferas aufzunehmen. Sie konzentrierte sich und sammelte ihre Kräfte, dann fokussierte sie in ihrem Innern die Fledermaus und sandte ihre Gedanken zu ihr.
    Luciano, wo bist du?
    Statt von ihm eine Antwort zu erhalten, vernahm sie Leos Stimme in ihrem Kopf.
    Er ist bei uns. Die beiden Männer, die in ihren Beuteln wohl die Beute mit sich tragen, laufen über die Dächer. Wir müssen an ihnen dranbleiben, was sich nicht ganz einfach gestaltet. Wir brauchen die Augen unserer Fledermaus, um sie nicht zu verlieren.
    In Ordnung, sandte Alisa zurück. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie schwierig es für Anna Christina war, mit ihrem Ballkleid von einem Dach zum anderen zu springen. Das konnte nur so lange gut gehen, bis sie eine breite Straße oder einen Kanal erreichten, den die Larvalesti mit ihren Umhängen überqueren, die beiden Vampire aber nicht überspringen konnten. Alisa glaubte, den Schmerz in ihrem Bein wieder zu spüren, der sie an ihren misslungenen Versuch erinnerte.
    Alisa und Hindrik blieben den beiden Männern auf den Fersen, die es nicht sehr eilig zu haben schienen. Waren sie auf dem Weg in eines ihrer Verstecke oder nach Hause zu ihren Familien? Die Beute schienen ja die anderen Schemen bei sich zu haben, denen die Dracas folgten, dennoch bestand die Möglichkeit, dass gerade diese beiden in das Versteck unterwegs waren, wo die Larvalesti Clarissa festhielten. Aber wo zum Teufel führten sie sie hin? Alisa fürchtete, allmählich die Orientierung zu verlieren. Sie vermutete, dass sie sich nun nordwestlich des Palazzo irgendwo im Stadtteil Cannaregio befanden, aber sie wurde den Verdacht nicht los, dass sie in Schleifen und Umwegen durch die Gegend irrten. Waren sie an dieser Ecke nicht schon einmal vorbeigekommen? Führten die beiden Männer sie an der Nase herum? Sie war sich nicht sicher und wagte nicht, die Witterung aufzunehmen, die es ihr unzweifelhaft verraten hätte. Selbst wenn die beiden Männer vor ihr keine Spuren zurückließen, ihre eigene Fährte müsste zu erkennen sein. Doch Alisa verzichtete darauf, zu atmen, zu sehr fürchtete sie sich vor dem Pulver, das sie zum Niesen bringen und nicht nur ihre Anwesenheit verraten könnte. Sie konnte einfach nicht abschätzen, wie sehr es sie schwächen und ihrer Fähigkeiten berauben würde.
    »Wir laufen im Kreis«, vermutete nun auch Hindrik.
    »Meinst du, sie haben uns entdeckt?«, sprach Alisa ihre Befürchtung aus.
    »Keine Ahnung. Wenn es sich um normale Menschen handeln würde, könnte ich das ausschließen, aber so?«
    Sie folgten einer schmalen Gasse, die am äußeren Ufer eines ringförmigen Kanals endete. Für einen Moment dachte Alisa, sie hätten die beiden Vermummten verloren, doch dann sah sie sie einen hölzernen Steg erklimmen, der direkt in der hoch aufragenden Häuserfront auf der anderen Kanalseite verschwand. Sie warteten einen Augenblick, ehe sie die Schatten der Gasse verließen und den beiden über den Steg folgten.
    »Das ist seltsam«, murmelte Hindrik, als er den Steg überquerte und den Kopf einmal nach links und dann nach rechts wandte. »Wo sind wir hier?«
    Alisa wusste, was er meinte, konnte aber nur die Achseln heben. Es war ein anderes Venedig. Diese Häuser waren wesentlich höher als alle, die sie bisher gesehen hatten. Sie verschmolzen zu einer einzigen abweisenden Wand, bis zu sieben Stockwerke hoch, die nur von wenigen winzigen Fenstern weiter oben unterbrochen wurde, die dunkel auf den Kanal herabsahen, der das Ensemble wie ein Burggraben umschloss.
    Sie durchquerten den finsteren Gang, der sie auf einen Platz führte. Hier, zum Campo hin, sahen die Häuser nicht ganz so abweisend aus, doch alles wirkte ärmlich und seltsam trostlos. Hindrik wies auf ein Schild an der Wand.
    Campo di Ghetto Nuovo
    Alisas fragende Miene hellte sich auf. »Ah, hier sind wir. Ich habe über das Judenviertel der Stadt gelesen. Der Begriff Ghetto Nuovo bedeutete eigentlich Neue

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