Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
treffen musst. Ziele schnell, schieß sofort und mach dir keine Gedanken darüber, was Lord Byron tut. Jeder hat nur eine Kugel, dann ist es vorbei.«
» Ich will ihn aber nicht vernichten!«, protestierte Luciano.
» Musst du ja auch nicht. Aber wenn du ihn irgendwo triffst, ehe er abdrückt, dann wird seine Kugel fehlgehen. Das sollte doch ein Ansporn sein, nicht?«
Luciano nickte grimmig. » Ja, ich finde durchaus Gefallen an meiner nächtlichen Existenz und möchte sie heute Nacht noch nicht beenden.«
Leo legte ihm die Hand auf die Schulter. » Das wirst du auch nicht. Du bist mutig, hast ein scharfes Auge und eine ruhige Hand. Es wird alles gut gehen, mein Freund.«
Luciano hob den Blick. » Leo, tu mir einen Gefallen und sei nicht so freundlich zu mir. Wenn mich etwas nervös macht, dann das! Sei einfach wie immer und mach mich wütend mit deiner Überheblichkeit oder so.«
Leo zeigte ihm die Zähne. » Das kannst du haben! Aber pass mit der Pistole auf. Der Abzug geht sofort los.«
» Ich weiß«, schimpfte Luciano und hob die Waffe vorsichtig aus dem Kasten. Er sah sie noch einmal von allen Seiten an, ehe er sie zurücklegte und sich seinem Gegner zuwandte, der nun mit Malcolm zwischen den Bäumen aus dem Nebel auftauchte.
» Pünktlich auf die Minute«, kommentierte Franz Leopold, und es klang fast, als würde er das bedauern.
» Was hast du erwartet?«, meinte Luciano mit einem unterdrückten Seufzer.
» Dass Malcolm, der Verräter, sich nicht als Sekundant für Byron hergibt, zum Beispiel«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
Die Duellgegner kamen heran. Die Sekundanten und die beiden Kontrahenten begrüßten einander knapp. Malcolm und Franz Leopold überprüften noch einmal, ob die Pistolen korrekt geladen waren, dann überreichten sie jedem der Duellanten seine Waffe.
» Zählt nun die Schritte ab«, sagte Malcolm mit ungewohnt emotionsloser Stimme. » Zwanzig, dann dreht euch um und wartet, bis ich das Taschentuch hebe. Sobald ich es loslasse, schießt!«
Die beiden Duellanten stellten sich Rücken an Rücken auf, die Pistole mit dem Lauf nach oben gerichtet in der Rechten. Malcolm war gerade im Begriff, mit dem Zählen zu beginnen, als ein Ruf ihn innehalten ließ.
» Nein! Ich kann das nicht zulassen!«
Clarissa stürmte mit gerafften Röcken aus den Nebelschwaden hervor. Alisa auf den Fersen.
» Halt, bleib stehen! Das kannst du nicht tun. Nicht so.«
Die Vamalia erreichte sie im gleichen Moment, als auch Leo ihren Arm packte. Er musterte sie mit seinem berüchtigt eisigen Blick.
» Clarissa, du hast hier nichts verloren. Luciano ist hier, um deine Ehre zu verteidigen, also halte dich zurück und störe den Ablauf des Duells nicht.«
Obgleich Alisa ebenfalls versucht hatte, Clarissa zurückzuhalten, ehe sie etwas Dummes anstellen konnte, funkelte Leo die Vamalia zornig an.
» Lass sie los. Sie hat Luciano nicht darum gebeten, sich für ihre Ehre ein Loch in die Brust schießen zu lassen. Clarissa ist sehr gut in der Lage, sich selbst um ihr Wohlergehen und ihre Ehre zu kümmern. Und wir anderen Vampirinnen ebenfalls! Wenn ihr eingebildeten Männer das nur endlich kapieren würdet.«
Leo kniff die Augen zusammen. » Keine Sorge. Ich werde mich für dich nicht duellieren.«
» Da bin ich aber erleichtert«, zischte Alisa und zog Clarissa mit sich fort. So nah, dass sie gut sehen konnten, allerdings auch so weit weg, dass die junge Servientin nicht dazwischengehen konnte, sollte es ihr noch einmal gelingen, sich loszureißen. Dachte Alisa zumindest.
Malcolm wandte sich wieder den Kontrahenten zu, die noch immer Rücken an Rücken auf seinen Befehl warteten.
» Eins… zwei… drei…« Malcolm begann langsam zu zählen und die beiden Vampire schritten bedächtig die Entfernung ab. Bei zwanzig Schritten blieben sie stehen und wandten sich einander zu. Sie ließen den Arm mit der Pistole sinken, sodass der Lauf nun gegen den Boden gerichtet war. Für einen Augenblick maßen sie sich und blickten einander fest in die Augen, dann richteten sie ihren Blick auf Malcolm, der das Taschentuch bereits in der Hand hielt.
» Fertig?«
Er wartete, bis beide nickten, dann hob er den Arm.
Clarissa kaute vor Anspannung auf ihren Fingern herum, und auch Alisa vergaß, die Servientin festzuhalten und verschlang ihre Hände ineinander, während ihr Blick zwischen den beiden Pistolen hin und her huschte.
Das Taschentuch entglitt Malcolms Händen. Kaum hatte der leichte Morgenwind das Tuch
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