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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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führte Alisa das Messer. Sie schnitt tief durch Haut und Gewebe, während Leo geschickt die Ränder der vergrößerten Wunde auseinanderhielt und das Blut mit dem Stoff aufsaugte.
    » Ich muss noch tiefer!«
    » Schnell, eine neue Kompresse.«
    Lord Byron gab sein weißes Halstuch und riss dann mit einer gemurmelten Entschuldigung noch einen weiteren Streifen von Clarissas Rock.
    Malcolm stand die ganze Zeit nur wie versteinert da und starrte auf das Treiben zu seinen Füßen, das er nicht fassen konnte, während Luciano tröstende Worte murmelte, auch wenn Clarissa sie vermutlich nicht hören konnte.
    » Da ist sie. Schnell, abtupfen!« Alisa stieß das Messer noch einmal in die Wunde und beförderte dann mit einer geschickten Drehung des Handgelenks das silberne Geschoss zutage. Es rollte über Clarissas Bauch und fiel dann ins Gras. Lord Byron bückte sich und hob es auf.
    » Welch Zerstörungskraft steckt in diesem winzigen schimmernden Metallklumpen«, sagte er versonnen, vielleicht ganz froh, seinen Blick von dem blutigen Kampf ganz anderer Art abwenden zu können. Während Leo das letzte Stück trockenen Stoff auf die nun klaffend große Wunde presste, zerriss Alisa ihren Unterrock und half ihm, eine breite, feste Bandage um Clarissas Oberkörper anzulegen, die dafür sorgte, dass die Kompresse die Wunde verschloss. Ganz vorsichtig nahm Luciano sie in die Arme. Das Entsetzen war noch immer in sein Gesicht geschrieben.
    Der schnelle Hufschlag von Pferden und das Rattern von Kutschenrädern ließ sie sich umsehen. In halsbrecherischer Fahrt kam eine schwarze Kutsche auf sie zugerast. Der Kutscher, der die vier Rappen mit seiner Peitsche antrieb, lenkte sie auf die Gruppe auf der Wiese zu und brachte dann das Gefährt schlitternd zum Stehen. Mit einem Satz sprang Hindrik vom Bock. Die Pferde rührten sich nicht mehr vom Fleck. Noch ehe er die Tür erreicht hatte, wurde sie von innen aufgestoßen. Lady Margaret war mit einem Satz draußen und bei der Gruppe ihrer Schützlinge. Ihr Blick erfasste Clarissa, dann sah sie zu dem Dichter, der nur die Schultern heben konnte.
    » Das lag ganz sicher nicht in meiner Absicht«, wiederholte er seine Worte, doch die Lady achtete schon nicht mehr auf ihn. Sie beugte sich über Clarissa, die noch immer ohnmächtig in Lucianos Armen lag.
    Hindrik drängte sich vor und kniete sich neben sie. » Die Kugel? Ist die Kugel noch in ihrem Körper?«
    » Nein«, antwortete Leo fest. » Alisa hat sie entfernt.«
    Hindrik nickte ihr anerkennend zu, doch Alisa fühlte nur Verzweiflung. » Sie ist durch ihre Lunge gedrungen, und ich habe mit dem Messer noch mehr Schaden angerichtet. Und sie blutet noch immer so stark. Kann Clarissa es schaffen?«
    Hindrik lächelte sie beruhigend an. » Wenn das Silber aus ihrem Körper entfernt ist und das Herz nicht getroffen hat, dann können wir hoffen.«
    » Sie muss schnell zum Temple zurückgebracht werden«, unterbrach Lady Margaret und hob Clarissa in ihre Arme. » Sie braucht jetzt Blut und Ruhe. Beides wird sie bei uns finden.« Die Vyrad trug die Verletzte zur Kutsche und stieg mit ihr ein. Luciano folgte und drängte sich an ihre Seite. Und auch Malcolm folgte ihnen, noch immer schweigend, den Blick zu Boden gerichtet. Hindrik schloss den Wagenschlag und sprang auf den Kutschbock.
    » Kommt ihr beide alleine zurecht?«
    Alisa und Leo nickten.
    » Seht zu, dass ihr uns rasch folgt. Es wird bald Tag.«
    Hindrik schwang die Peitsche, die Pferde zogen an, und die Kutsche raste davon. Hindriks blonde Locken wehten im Wind. Vermutlich hatte er nicht einmal bemerkt, dass er bei der wilden Fahrt seinen Hut verloren hatte.
    » Tja, es bleibt doch nichts geheim«, murmelte Leo, der wie Alisa der in den Nebelschwaden entschwindenden Kutsche nachsah.
    Alisa sagte nichts. Sie dachte an Malcolm, der nun bei den anderen in der Kutsche saß. Wie er einfach nur so dagestanden, wie zur Statue erstarrt, und rein gar nichts getan hatte! Unmut stieg in ihr auf.
    » Du musst Malcolm nicht zürnen«, sagte Leo ungewohnt sanft. » Jeder reagiert in außergewöhnlichen Situationen anders.«
    Alisa wandte sich ihm mit ärgerlich gerunzelter Stirn zu. » Du willst doch nicht etwa Malcolm verteidigen?«
    » Eine ungewohnte Regung in mir, das gebe ich zu. Doch vielleicht liegt es daran, dass ich weiß, wie hart es werden kann, wenn einem das Unglück widerfährt, deinen Unmut zu erregen.«
    » Er hat einfach nichts getan!«
    Leo nickte. » Ja, aber er war erschüttert.

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