Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
verheilt ist. Ich jedenfalls wollte keine Partnerin an meiner Seite, die man wie ein Kleinkind umsorgen muss. Ich wollte eine starke Vampirin, klug und eigenständig, die die Zähne zusammenbeißt, wenn es mal schmerzhaft wird, und ihren Partner an seine Aufgaben erinnert, statt sich die ganze Nacht verhätscheln zu lassen.«
Lord Milton ergriff nun das Wort und Alisa war in ihren Gedanken noch sehr mit Leos Worten beschäftigt. Wenn ich mir vorstelle, du und ich wären an ihrer Stelle …
Hatte er das wirklich gesagt? Und das mit der Vampirin an seiner Seite? Ja, Leo hatte recht. Wenn sie an Clarissas Stelle wäre, wollte sie ganz sicher nicht nächtelang geschont und umhegt werden. Sie wollte dem Vampir, den sie liebte, eine starke, gleichberechtigte Partnerin sein.
Sie war so aufgewachsen. Die Vamalia behandelten selbst ihre Servienten auf diese Weise. Aber dass Leo solche Ansichten vertrat? Wäre es für einen Dracas nicht passender, sich eine zerbrechliche, schöne Vampirin zu wünschen, die ihn anhimmelte und nie widersprach?
Wie langweilig!
Alisa sah ihn ungläubig an, rief sich aber sofort zur Ordnung und konzentrierte sich auf Lord Milton und Lady Margaret und auf ihren Bericht, den sie abliefern mussten.
Während sich einige der Erben um Miss Birrell gekümmert und die Nichte der Ermordeten auch tatsächlich aufgespürt hatten, war Alisas Gruppe dem Hinweis auf Detective-Lieutenant Trench nachgegangen. Eine dritte Gruppe hatte versucht, Helen Lambie noch einmal zu befragen, um sie dazu zu bringen, die Wahrheit zu sagen und vielleicht auch zu erklären, warum sie vor Gericht gelogen und maßgeblich dazu beigetragen hatte, einen Unschuldigen an den Galgen zu bringen, doch sie schien verschwunden zu sein. Die vierte Gruppe hatte den Arzt aufgesucht, der damals zum Tatort gerufen worden war und die Leiche als Erstes untersucht hatte. Er hieß wie der Nachbar ebenfalls Adams.
Nacheinander präsentierten die Gruppen ihre Ergebnisse.
» Nicht nur Helen Lambie leidet unter massiver Vergesslichkeit«, stellte Mervyn fest. » Auch Miss Birrell will sich an kein Gespräch mit ihr in der Mordnacht erinnern können. Insbesondere nicht, dass Miss Lambie eine Andeutung gemacht haben könnte, den Mörder erkannt zu haben.«
» Lügen diese Frauen?«, hakte Lady Margaret nach.
Mervyn und die andern Mitglieder seiner Gruppe nickten. » Ja!«, sagte Mervyn bestimmt. » Und das war Miss Birrell auch während unseres Gesprächs deutlich bewusst.«
» Die beiden haben sich also nach dem Mord darüber unterhalten, wen Helen in Miss Gilchrists Wohnung erkannte?«
» Genau!«, stimmte Mervyn zu.
» Und wer war es?«, wollte Joanne wissen, die in der Gruppe war, die den Arzt aufgesucht hatte.
Alisa meldete sich zu Wort. » Dazu habe ich eine interessante Aussage von Miss Birrell, die Mr Trench zwei Tage nach dem Mord aufgenommen hat, die aber später in der Akte nicht mehr enthalten war. Er hat sich das Original aufgehoben und die Aussage der Zeugin für die Akte noch einmal ins Reine geschrieben. Ich habe sie mir notiert, da ich sie für entscheidend für den Fall halte.«
Lord Milton forderte Alisa auf, die Notiz vorzulesen.
Das Hausmädchen von Miss Gilchrist, Nellie Lambie, kam gegen 7 Uhr 15 zu mir. Als die Tür geöffnet wurde, stürmte sie ins Haus und rief: » Oh!, Miss Birrell, Miss Gilchrist ist ermordet worden, sie liegt tot im Esszimmer, und ich habe den Mann gesehen, der das getan hat!«
Ich erwiderte: » Mein Gott, Nellie, das ist ja furchtbar! Wer ist es? Kennst du ihn?« Nellie antwortete: » Ich glaube es war A. B. Bestimmt war es A. B.«
Ich sagte zu ihr: » Nellie, sag das nicht. Wenn du dir nicht ganz sicher bist, dann nur das nicht.« Worauf sie wiederholte, sie sei sich ganz sicher, dass es A. B. gewesen sei.
» Steht da wirklich nur A. B.?«, wollte Tammo wissen. » Wir brauchen seinen Namen!«
Alisa zog eine Grimasse. » Sein Name war unkenntlich gemacht worden, und darüber stand eben A. B. Ausgeschrieben konnten wir ihn leider nirgends entdecken. Immer nur dieses Kürzel. Wobei ich noch sagen muss, dass der Chief Superintendent , der Trench zu Miss Birrell geschickt hat, um ihre Aussage aufzunehmen, nachher schlicht leugnete, diesen Auftrag jemals erteilt zu haben, und– wie erwähnt– das Original der Aussage ist nicht in den Akten. Außerdem haben wir erfahren, dass der Superintendent am folgenden Tag zu jenem mysteriösen A. B. ging, doch auch dieses Protokoll ist verschwunden. Der
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