Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
durch die Zähne pfeifen.
» Was für eine Schweinerei«, murmelte er.
» Er wird immer brutaler«, stimmte ihm Alisa zu.
Wieder schluckte Latona trocken und versuchte die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. Vielleicht wollte sie gar nicht sehen, was die Vampire mit ihren so viel schärferen Augen trotz der Dunkelheit erkennen konnten.
» Er ist weg«, stellte Luciano überflüssigerweise fest. » Und er hat schon einige Minuten Vorsprung.«
» Was sind ein paar Minuten, wenn ihn ein Rudel Wölfe jagt«, meinte Alisa mit grimmiger Stimme.
» Gute Idee«, pflichtete ihr Tammo heiter bei. » Kommt sonst noch jemand mit?«
Die beiden Pyras lechzten ebenfalls nach einer Treibjagd. Schon nahmen sie wieder ihre Wolfsgestalt an und hetzten davon, der Spur des Schlächters folgend.
Oben im Haus flammte hinter einem der Fenster ein Licht auf. Die ersten Bewohner erhoben sich von ihrem Lager, um zur Arbeit zu gehen. Im Durchgang wurde es heller und jetzt konnte auch Latona den Körper der Frau sehen, die noch vor kaum einer Stunde das Geld zurückgewiesen hatte, das ihr eine sichere Schlafstatt verschafft hätte. Das Leben hing manches Mal an einem seidenen Faden, an einem falschen Wort oder an vier Pennys.
Und nun war Annie Chapman tot. Bestialisch ermordet von einem Mann, der Latona zum Greifen nah gekommen war. Benommen starrte Latona auf die übel zugerichtete Leiche herab. Die Kehle war mit einer solchen Kraft durchschnitten, als habe er versucht, ihr den Kopf abzutrennen. Ihr Unterleib war aufgeschnitten und ihre Innereien herausgetrennt. Einige der blutigen Teile lagen neben ihrer Schulter. Schaudernd wandte sich Latona ab.
Was, wenn er sich umgedreht hätte? Was, wenn er Latona entdeckt hätte? Würde sie dann jetzt hier mit aufgeschlitztem Leib und durchtrennter Kehle in ihrem Blut liegen?
Der Dracas Franz Leopold griff nach ihrem Arm und drückte ihn leicht. » Versuche deine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken«, sagte er erstaunlich sanft. » Dir ist nichts geschehen, und es ist auch nicht deine Schuld, dass diese Frau zu seinem nächsten Opfer wurde. Das Schicksal geht oft seltsame Wege, und nicht immer kann ein Sterblicher eingreifen und den Lauf verändern.«
» Und ein Unsterblicher?«
Sie spürte, dass er lächelte. » Auch ein Unsterblicher kann nicht immer am Schicksal drehen, aber manches Mal gelingt es uns. Wer weiß, vielleicht war das des Schlächters letzte Tat?« Er sah sich um und betrachtete noch einmal den böse zugerichteten Körper zu seinen Füßen.
» Lasst uns zum Temple zurückkehren«, schlug er vor. » Hier gibt es nichts mehr für uns zu tun.«
» Aber wir müssen doch die Polizei rufen und den Mord melden!«, protestierte Latona.
Die Vampire schüttelten einmütig den Kopf. » Nein, das ist nicht unsere Sache. Wie stellst du dir das vor? Sollen wir uns der Polizei zum Verhör stellen?«
» Nein, das vielleicht nicht, aber zumindest dafür sorgen, dass ihre Leiche gefunden wird.«
» Das wird sowieso gleich geschehen. Die Leute im Haus sind schon wach. Sie müssen zu ihrer Arbeit. Es wird sie jemand finden und die Polizei rufen«, sagte Malcolm und schob sie vor sich her auf die Straße zurück. Auch Luciano und Clarissa folgten. Die junge Unreine, die bisher geschwiegen hatte, gesellte sich zu Latona.
» Es ist alles ein wenig anders als in unserem Leben früher«, sagte sie leise. » Sehr viel anders!«
» Wahrscheinlich ist es nicht immer leicht, sich daran zu gewöhnen, oder?«, fragte Latona ein wenig verzagt.
Clarissa nahm ihre Hand. » Wenn du noch immer fest entschlossen bist, den Schritt zu wagen, werde ich dir als Freundin zur Seite stehen, das verspreche ich dir.«
» Danke«, hauchte Latona nur.
Leo wandte sich zu den Mädchen um. » Kommt ihr? Lasst uns zurückgehen.«
» Und Alisa? Fürchtest du nicht um Alisa?«, drängte Latona.
Wieder dieses versonnene Lächeln.
» Nein, sie kommt schon zurecht. Um sie mache ich mir keine Sorgen. Selbst wenn sie die Pyras und ihren Bruder nicht an ihrer Seite hätte.«
Sie waren kaum ein paar Schritte gegangen, als sie das Klappen der Haustür hörten und dann einen Schrei des Entsetzens.
» Bei Gott!«, brüllte eine männliche Stimme, und dann: » Hilfe! Polizei!«
Die Vampire und ihre Begleiterin beschleunigten ihre Schritte und bogen gerade um die Ecke, als John Davis blass vor Entsetzen auf die Straße gerannt kam.
Nachricht von Jack the Ripper
Die vier Verfolger des Mörders trafen fast
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