Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
meine Liebste. Ich bin bei dir. Dir wird nichts geschehen!«
Er bezweifelte, dass sie ihn hören konnte, aber irgendetwas musste er doch tun.
Latona bog den Kopf zurück und riss die Augen auf. Dann öffnete sich ihr Mund zu einem Schrei. Zornig, voller Schmerz. Wie der Schrei eines Neugeborenen, das sich unvermittelt in einer neuen, fremden, kalten Welt wiederfindet.
» Willkommen in deinem neuen Dasein«, flüsterte Malcolm zärtlich und küsste sie, obwohl sie nun wild um sich schlug.
Plötzlich klärte sich ihr Blick, und sie sah in seine Augen. » Wir haben es geschafft«, hauchte sie. Ein Lächeln ließ ihr Gesicht erstrahlen, das nun so bleich war wie das seine. » Jetzt bin ich deine Gefährtin.«
Der Schmerz kehrte zurück und schüttelte ihren Körper. Latona schrie und klammerte sich an Malcolm. Er wusste, es konnte noch nächtelang so weitergehen, dann aber würde ihr neues, gemeinsames Leben endlich beginnen. Malcolm lächelte glücklich.
*
Es klopfte an der Tür. Alisa schloss die letzten Bänder ihres Kleides, ehe sie den Besucher aufforderte, einzutreten. Es war Leo, der forschen Schrittes hereinkam.
» Wie geht es dir heute Abend?« Er musterte sie kritisch. » Du siehst kräftiger aus. Unser Ausflug gestern scheint dir gutgetan zu haben.«
Alisa lächelte ihn an. » Ja, ich fühle mich schon viel besser, und ich muss dir gestehen, dass es mich heute nicht nach Tierblut dürstet!«
Leo nickte. » Ja, wenn man einmal Menschenblut gekostet hat, kommt einem alles andere schal vor.«
» Und es scheint auch mehr Kraft zu verleihen«, fügte Alisa nachdenklich hinzu. Leo trat zu ihr. Er hob die Hände und ließ die Finger tastend von ihrem Hinterkopf über das Genick hinabgleiten. Alisa schauderte unter seiner Berührung.
» Ja, das fühlt sich sehr gut an«, meinte Leo. Seine Hände verharrten auf ihrem Rücken. Dann zog er Alisa an sich und küsste sie zärtlich auf den Mund.
» Hat es irgendeinen Sinn, wenn ich dich darum bitte, nie wieder so etwas Dummes zu tun?«
» Etwas Dummes?«, protestierte Alisa, obwohl sie selbst so dachte.
» Etwas Heldenhaftes oder Selbstloses oder wie auch immer du es nennen magst. Jedenfalls etwas, das dich in solch tödliche Gefahr bringt. Bitte, das halten meine schwachen Nerven nicht noch einmal aus.«
Alisa lächelte und erwiderte seinen Kuss. » Ich wusste gar nicht, dass du so schwache Nerven hast«, sagte sie, als sie sich von ihm löste.
» Wenn es um dich geht, schon.« Er streckte ihr die Hand hin. » Kommst du? Ich glaube, die anderen warten bereits im großen Saal.«
» Ich muss mir nur noch kurz das Haar aufstecken. Wenn du magst, geh schon einmal vor. Ich komme gleich nach.«
Leo hob die Schultern und trat zur Tür. » Wie du willst.«
Die Klinke schon in der Hand, hielt er inne und wandte sich dann noch einmal zu ihr um.
» Was ich dich noch fragen wollte. Könntest du dir vorstellen, einige Zeit bei meiner Familie in Wien zu verbringen?«
» Was verstehst du unter › einiger Zeit ‹ ?«, erkundigte sich Alisa vorsichtig.
Leo ob die Schultern. » Na ja, ein paar Jahre… oder mehr. Wer kann schon sagen, wie lange eine Ewigkeit währt?«
» Bei den Dracas leben? Niemals!«, rief sie leidenschaftlich aus, ehe sie über Leos Worte nachdenken konnte. Sie spürte, dass ihr die Abscheu ins Gesicht geschrieben stand. Das Lächeln verschwand aus Leos Augen.
» War nur so eine Frage«, sagte er leise und schloss die Tür hinter sich.
Alisa blieb wie erstarrt stehen. Sie sah die hochmütigen Gesichter der Dracas vor sich. Nein, das würde sie nicht ertragen können! Aber er hatte sie gefragt, ob sie mit ihm zusammen sein wollte. Sie hätte nicht so schroff sein dürfen. Was musste er sie auch so überrumpeln. Ihr Herz wurde schwer. Hatte sie mit diesem unbedachten Ausruf nun alles wieder zerstört?
Rasch steckte sie ihr Haar auf und eilte dann mit bangem Gefühl zur Middle Temple Hall . Leo begrüßte sie mit einem warmen Lächeln und zog sie auf den Stuhl neben sich. Auch sonst war ihm nichts anzumerken, dass ihn ihre Antwort vielleicht gekränkt haben mochte. Allerdings kam er auch nicht wieder auf das Thema zurück, und Alisa traute sich nicht, es anzusprechen. Nicht, solange sie keine Antwort wusste. Eine, die anders lautete, als die, die sie ihm bereits gegeben hatte.
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