Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
wieder begegnen zu können, hatte ihm Herzklopfen beschert. Nun erschien ihm die Welt düsterer und leerer als zuvor.
Bram tauchte die Feder noch einmal ein und fügte den Namen ihres Bruders hinzu. Ivy und Seymour. Gehörten sie nicht zusammen? War er jetzt nicht nur noch eine unvollständige Hälfte, die zurückgeblieben war? Die klagend durch die einsamen Moore Irlands strich, nur seinen ewig währenden Schmerz als Begleiter?
Doch auch dieses Blatt folgte den anderen in den Kohlenkasten.
Nein, die Geschichte war mehr. Er dachte an Dracula, wie er Ivy verschleppt hatte. Und an ihre Freunde, mit denen van Helsing, Professor Vámbéry und er in den Karpaten gekämpft hatten. Alisa, Franz Leopold und Luciano. Wie verschieden sie waren. Wie wunderbar sich Klugheit und Treue, Beharrlichkeit und Leidenschaft, Vertrauen und unerschütterliche Freundschaft vereint hatten, um gemeinsam zum Ziel zu führen. Ja, er würde über die Freunde schreiben, über alle Erben und über die Vampirclans, die über Europa verteilt im Verborgenen hausten. Bram schrieb:
Dies ist eine Geschichte von nächtlichen Wesen. Wir nennen sie Vampire, Blutsauger, Jäger der Finsternis, und fürchten uns vor ihnen. Zu Recht, denn sie sind gefährlich. Tödlich. Sie können berechnend kalt und grausam sein, doch sie sind noch viel mehr. Ich durfte ganz erstaunliche Erfahrungen mit diesen nächtlichen Jägern machen und rühme mich, noch immer unversehrt am Leben zu sein.
Die Vampire, die ich auf meinen Reisen durch ganz Europa fand, gehören zu verschiedenen Familien oder Clans, wie sie es nennen, die sich lange Zeit voneinander ferngehalten haben, ein jeder stolz auf seine eigene Blutlinie und nicht gewillt, eine Verbindung mit den anderen einzugehen. Doch das hat ihren Fortbestand gefährdet. Nicht nur wir Menschen haben unseren Teil beigetragen, sie zu vernichten. Die zerstrittenen Clans haben das Ihrige getan, sich gegenseitig vom Antlitz dieser Erde zu vertreiben, obgleich sie doch alle Nachfahren eines Einzigen sind: Dracula, der zu seinen Lebzeiten Vlad III . – auch T ¸ epe s ¸ genannt – hieß, ein grausamer Fürst der Walachei. Er ist der Vater aller Vampire. Doch seine Kinder verließen ihn und wendeten sich von ihm ab, um an verschiedenen Orten Europas ihre eigenen Linien zu gründen. Sie vermehrten sich und wurden stark. Bald begannen sie, sich zu bekämpfen. Ihre Zahl nahm ab, ihre Macht schwand, und schließlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich zusammenzutun. So beschlossen sie, ihre letzten Erben gemeinsam auszubilden und zu stärken. Von diesen Erben der Nacht möchte ich nun erzählen.
Zufrieden sah Bram auf das beschriebene Blatt hinab. Ja, das würde seine Geschichte werden und die der Erben. Und die Geschichte von Ivy-Máire, die er niemals würde vergessen können.
Ein Hüsteln hinter seinem Rücken ließ Bram herumfahren. Er zwinkerte und fragte sich für einen Moment, ob seine Einbildungskraft die drei Gestalten heraufbeschworen hatte, die nun plötzlich in seinem Kabinett standen.
Alisa, die erstaunlicherweise wieder völlig gesund wirkte, lächelte ihn an. » Nein, wir sind keine Trugbilder. Wir dachten uns, wir besuchen Sie einmal. Ich hoffe, Sie nehmen uns unser Eindringen nicht übel?«
Noch immer verwirrt, versicherte Bram seinen überraschenden Besuchern höflich, wie sehr er sich freue, sie in seinem Haus begrüßen zu dürfen.
» Ich kann euch vermutlich nichts anbieten?«
Luciano grinste. » Wohl kaum. Es sei denn, Sie können Ihr Hausmädchen entbehren, das, soweit ich mitbekommen habe, bereits in seiner Kammer schläft?– Nein, das war ein Scherz«, fügte er rasch hinzu, als er Brams bestürzte Miene sah.
Franz Leopold trat ein wenig näher an den Sekretär und las, was Bram geschrieben hat. Er hob die Brauen. » Sehr nett, wirklich, vor allem berechnend kalt und grausam gefällt mir.«
» Damit meine ich nicht euch. Diesen Unterschied will ich ja gerade beschreiben«, verteidigte sich Bram. Alisa, die neben dem Kohleneimer in die Knie gegangen war und die zahlreichen zerknüllten Blätter glatt strich widersprach: » Eigentlich wollen Sie Ihr Buch über Ivy schreiben, nicht wahr?«
Bram wand sich ein wenig verlegen. » Nicht nur über Ivy. Über euch alle.«
Luciano schüttelte energisch den Kopf. » Das geht nicht.«
» Was?« Bram starrte ihn verwundert an. » Was soll nicht gehen?«
» Dass Sie ein Buch über uns schreiben«, erklärte Alisa. » Deshalb sind wir gekommen. Wir
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