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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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auf der völlig falschen Fährte, was einer Lycana deiner Erfahrung nicht passieren dürfte«, fügte er ätzend hinzu.
    Ivy überhörte den Seitenhieb. » Dann kann ich mir nur vorstellen, dass es ein Missverständnis zwischen euch gibt, dass ihr rasch aufklären müsst. Redet miteinander, ehe ihr alles zerstört.«
    » Du kommst zu spät, allmächtige Druidentochter. Siehst du denn nicht, dass die Welt längst in Trümmern liegt?« Zum ersten Mal sah Franz Leopold Ivy offen an. Ihm war bewusst, dass sie seinen Schmerz sehen konnte. Ivy griff nach seinen Händen.
    » Keine Zerstörung ist endgültig. Aus Trümmern und Asche wächst neues Leben und Hoffnung. Du musst es nur wollen und die Gräben überwinden.«
    Franz Leopold versuchte ihr seine Hände zu entziehen und seinen Blick abzuwenden, doch sie hielt beides mit unnachgiebiger Kraft fest, die so gar nicht zu diesem schwächlich wirkenden Körper passte.
    » Geh auf sie zu! Sprich mit ihr. Lass nicht zu, dass alles zerstört wird. Und wenn du schon eure Liebe nicht retten kannst, dann wenigstens eure Freundschaft– unser aller Freundschaft! Versuch es wenigstens.«
    » Wenn es dich glücklich macht«, antwortete er betont lässig.
    » Versprich es mir!«, beharrte Ivy ernst.
    » Schon gut, ich verspreche es. Ich werde mit Alisa reden.«
    Endlich ließ ihn Ivy los, und sie setzten ihren Weg durch den blühenden Garten fort.
    *
    Alisa stand hinter einem der großen Fenster und sah in den Garten hinab. Es gab innerhalb der Tore des Temple zwei Bibliotheken. Die Sammlung des Inner Temple befand sich in dem Gebäude, das den Church Court nach Südosten abschloss. Die Bibliothek des Middle Temple war umfangreicher und enthielt vor allem die großen, spannenden Kriminalfälle der Geschichte, von denen viele niemals vollständig aufgeklärt worden waren. Diese Berge von Akten waren in dem lang gestreckten Flügel untergebracht, der sich von der Middle Temple Hall entlang des Gartens bis fast zur Uferstraße an der Themse zog.
    Alisa las zuerst über eine ungeklärte Mordserie zu Beginn des Jahrhunderts, bei der innerhalb weniger Monate sieben junge Männer in der Umgebung der Fleet Street erstochen, aber nicht ausgeraubt worden waren, und deren Mörder nie gefasst wurde. Sören, Chiara, Rowena und Mervyn kamen in den Saal, strichen an den Reihen der Bücher entlang, hatten aber offensichtlich nicht die Absicht, sich in eines der Werke zu vertiefen. Die Paare trennten sich und suchten Deckung hinter den hohen Regalen. Ihr Getuschel und Gekicher war Alisa so unerträglich, dass sie die Flucht ergriff. Wie sollte man sich dabei konzentrieren? Sie ging in den nächsten Raum, in dem sie auf eine bekannte Gestalt traf, die sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen hatte.
    » Vincent! Bist du es?«
    Der kaum zehnjährige Junge drehte sich zu ihr um und sah sie aus seinen graublauen Augen offen an. Sein Haar war von hellem Rotblond, der Körper klein und schmächtig. Hätte er noch zerrissene Hosen getragen und ein aufgeschlagenes Knie präsentiert, so hätte nur noch seine blasse Haut ihn von einem beliebigen Lausbuben auf der Straße unterschieden. Und vielleicht der abgeklärte, kluge Blick, der bereits mehr als vier Jahrhunderte hatte kommen und gehen sehen.
    Er grinste sie an. » Ah, Alisa de Vamalia, die Romanliebhaberin. Lange nicht mehr gesehen. Du hast dich verändert. Ja, ich muss schon sagen, aus dir ist eine Dame geworden, wobei du– nimm es mir nicht übel– an deiner Frisur noch arbeiten musst. So trägt in London heutzutage keine junge Frau ihr Haar.«
    Alisa lachte. » Danke für den Hinweis. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Bengel in deinem Alter sich für die Frisurenmode der Damen interessiert.«
    Vincent lachte, doch seine Miene verdüsterte sich bei ihrer Bemerkung. » Das ist die Tragik, wenn man in einem Kinderkörper gefangen ist. Keiner nimmt einen ernst und würdigt die sich wandelnden Bedürfnisse.«
    Das konnte sich Alisa gut vorstellen. Sie dachte an Ivy, der es ähnlich ergehen musste.
    » Und was suchst du hier? In diesem Raum gibt es nur Dichtungen in Versen. Romane findest du gegenüber. Meine spezielle Sammlung über die düsteren Wesen der Nacht ist in einem der Räume in der Bibliothek des Inner Temple untergebracht .«
    » Was hast du dir ausgesucht?«, erkundigte sich Alisa und beugte sich vor, um den Titel des schmalen Bändchens zu entziffern, das Vincent in den Händen hielt.
    » Childe Harolds Pilgerfahrt«, las sie. » Das

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