Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
sie ihre Stimme wieder. » Wer seid Ihr?«, stieß Alisa hervor. Der Vampir legte die Rechte auf seine Brust und verbeugte sich in vollendeter Eleganz.
» George Gordon Noël Byron, sechster Baron of Rochdale, mein Fräulein.«
» Aber ja!«, rief Alisa aus, der nun klar wurde, warum er ihr bekannt vorgekommen war. » Lord Byron, welche Ehre, Euch kennenzulernen. Ich habe einige Eurer Werke gelesen, wobei ich leider gestehen muss, dass mein Englisch nicht so gut ist, dass ich die Schönheit Eurer Verse vollständig würdigen könnte.«
Er lächelte geschmeichelt. » Danke, mein Fräulein. Eigentlich bin ich ja der Meinung, dass es nicht diese Verskritzeleien sein sollten, die den Ruf eines Lebens überdauern, sondern die Taten eines Mannes. Der Kampf des Helden um eine große Sache sollte den Menschen im Gedächtnis bleiben! Doch Ihr habt mir noch immer nicht verraten, wer das Fräulein ist, dessen Herz so schwer an Verrat und verlorener Liebe trägt.«
» Alisa de Vamalia«, sagte sie und knickste artig, fügte aber sofort hinzu: » Woher wollt Ihr das wissen?«
Lord Byron trat neben sie und deutete auf Ivy und Leo, die nun den Garten wieder in Richtung Treppenaufgang durchquerten. » Ich sehe das Paar im Mondenschein und fühle Euren Schmerz. Das Thema der unglücklichen Liebe ist so alt wie die Menschheit und verschont nicht einmal die Kinder der Nacht, von denen man sagt, ihre Herzen seien tot und kalt wie Eis. Ist das nicht seltsam? Ich habe in meinem Leben viel geliebt und viel gelitten. Und ich habe vor allem eines gelernt: Nichts ist von Dauer, nur der Wandel. Nehmt Abschied und öffnet Eure Augen und Euer Herz für die Schönheit der Nacht, dann wird Euer Blick schon bald etwas finden, das Trost verspricht und neue Freuden.«
» Vielleicht habt Ihr recht«, sagte Alisa zögerlich. Nicht dass sie dem Dichter glaubte, sie könne den Verlust ihrer Liebe so einfach überwinden und sich etwas Neuem zuwenden. Sie wollte keinen anderen und es gab keinen Trost für sie! Aber darüber wollte sie nicht sprechen. Schon gar nicht mit Lord Byron, dessen Lebzeiten– soweit sie wusste– sich nicht gerade durch tiefe Gefühle und dauerhafte Beziehungen ausgezeichnet hatten. Nein, sie vermutete in ihm eher einen Don Juan, der von einer Liebschaft zur anderen eilte. Der die Frauen betörte und verführte, sie aber auch ein wenig verachtete.
Alisa knickste noch einmal. » Es war mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen, Lord Byron. Ich denke, wir werden Gelegenheit bekommen, sie im Laufe des Jahres zu vertiefen, aber nun entschuldigt mich. Ich muss gehen.«
Ihr fiel kein triftiger Grund ein, daher raffte sie ihre Röcke und schlüpfte ohne weitere Erklärung aus der Bibliothek.
Der erste Fall
Um Mitternacht waren alle wieder in der Halle versammelt und warteten gespannt darauf, welche Aufgaben Lord Milton ihnen stellen würde.
Er kam mit Lady Margaret und den drei Altehrwürdigen und nahm an der Tafel der Benchers Platz. Das Getuschel verstummte, noch ehe er das Wort ergriff und verkündete, dass er die Erben in drei Gruppen zu teilen beabsichtige. Er würde ihnen zuerst Unterlagen über alte Fälle geben, deren Spuren sie nachgehen und sie überprüfen sollten, soweit das noch möglich war. Es sei ihre Aufgabe, auf Ungereimtheiten zu achten oder Ermittlungsfehler zu entdecken. » Später, wenn sich interessante laufende Fälle ergeben, werden wir eure Gruppen nach und nach hinzuziehen, um eigene Recherchen anzustellen und diese dann mit denen der Polizei zu vergleichen. Ob es euch gelingt, einen Täter aufzuspüren und verhaften zu lassen, um ihn der Justiz zu übergeben, hängt von den Umständen des Falls, aber auch von euch selbst ab, wie genau ihr arbeitet und eure Fähigkeiten mit einbringt.«
» Hoffentlich dürfen wir uns raussuchen, mit wem wir in einer Gruppe sind«, raunte Tammo Joanne zu. » Wir müssen zusehen, dass wir zusammenkommen. Ich will auf keinen Fall mit Marie Luise zusammenarbeiten.«
Wieder ignorierte Lord Milton das Flüstern und fuhr stattdessen fort: » Da unsere Erben sich in London bestens auskennen, wird jeder von ihnen eine Gruppe führen. Wenn ihr es unbedingt wünscht, kann der eine oder andere Schatten mit euch kommen. Lieber wäre es mir allerdings, wenn ihr die Aufgabe auf euch alleine gestellt löst.«
» Wir gehen zusammen«, rief Luciano und deutete auf Clarissa, Franz Leopold, Ivy und Alisa.
Lord Milton hob die Brauen. » Das werden wir sehen. Nur, dass wir uns
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