Die Erben der Schwarzen Flagge
Euch, dass ich alles tun werde, um dieses gemeine Verbrechen ungeschehen zu machen. Ich werde Eure Tochter finden und sie wohlbehalten zu Euch zurückbringen. Das schwöre ich bei meiner Ehre als Offizier.«
»Bei Eurer Ehre als Offizier?« Navarro lachte bitter. »Glaubt Ihr denn wirklich, ich würde Euch nach allem, was vorgefallen ist, auch nur eine altersschwache Schaluppe anvertrauen?«
»Aber ich …«
»Bemüht Euch nicht, Capitán. Andere werden erledigen, wozu Ihr nicht in der Lage gewesen seid. Ihr jedoch werdet nie wieder ein Schiff befehligen, dafür werde ich sorgen.«
»Bei allem Respekt, Exzellenz«, ächzte der Offizier, während der Schmerz ihn buchstäblich zu zerreißen drohte, »es steht nicht in Eurer Macht, mich zu degradieren. Das darf allein der capitán general in Cartagena.«
»Wer sagt, dass ich Euch degradieren werde?«, fragte Navarro ungerührt. »Aber erklärt mir, Capitán Cuzo, wie Ihr mit zerschmetterten Gliedern auf dem Achterdeck stehen wollt.« Damit nickte er den Folterknechten abermals grimmig zu und machte auf dem Absatz kehrt, um die Folterkammer durch die gedrungene Tür zu verlassen.
»Nein! Nein …!«, hörte er den Offizier hinter sich brüllen – ehe ein markiges Geräusch erklang, das an einen Peitschenknall erinnerte. Cuzos Ruf ging in ein heiseres Gebrüll über, das nur noch wenig Menschliches an sich hatte, und über Navarros Züge huschte ein Lächeln der Genugtuung. Natürlich brachte ihm die Folterung des Kapitäns weder seine Tochter noch die entflohenen Sklaven zurück. Aber sie half ihm, die ohnmächtige Wut zu beschwichtigen, damit er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
Wie eine Kanonade waren die schlechten Nachrichten über Navarro hereingebrochen, nachdem er von seinem Treffen mit dem jungen Bricassart zurückgekehrt war. Schon von weitem hatte er den kalten Rauch riechen können, der sich wie ein Leichentuch über die Stadt gebreitet hatte. Nur zögernd hatte man ihm berichtet, was im Sklavenlager vorgefallen war. Kurz darauf hatte er erfahren müssen, dass die Sklaven nicht das Einzige waren, was die Seeräuber aus Maracaibo entwendet hatten. Der Conde hatte getobt vor Wut. Mit bitteren Flüchen hatte er die Piraten bedacht, wobei er bis jetzt nicht wusste, was seinen Zorn mehr erregt hatte – die Tatsache, dass Elena entführt worden war, oder dass diese Räuber sich erdreistet hatten, geradewegs in seine Festung zu marschieren. Keck hatten sie vollbracht, was noch kein Gesetzloser zuvor auch nur gewagt hatte. Sie hatten ihn bloßgestellt und lächerlich gemacht, und dafür würden sie büßen.
Der Conde de Navarro hatte gebrüllt wie ein verwundetes Raubtier, als er den Namen des Mannes vernommen hatte, der hinter alldem steckte: Nick Flanagan. Eine vage Ahnung hatte ihm von Beginn an gesagt, dass dieser Junge Ärger bedeutete, und im Nachhinein schalt er sich einen Narren dafür, dass er ihn nicht hatte exekutieren lassen, als er die Gelegenheit gehabt hatte. Nun war es zu spät, Elena befand sich in Flanagans Gewalt. Dass der Conde somit selbst einen Gutteil Schuld an dem Geschehen trug, übersah er geflissentlich.
Navarro war ein Meister darin, die Schuld anderen zuzuweisen und selbst mit unbefleckter Weste dazustehen, und daran würde sich auch diesmal nichts ändern. Er würde an Nick Flanagan ein Exempel statuieren, würde aller Welt zeigen, was es bedeutete, mit dem Conde von Maracaibo anzubinden. Doch diesmal, das hatte Navarro längst für sich beschlossen, würde er sich nicht auf die Stümper von der Armada verlassen, deren Unfähigkeit Capitán Cuzo ihm eindrucksvoll demonstriert hatte. Jene, die er ohnehin schon ausgesandt hatte, um Jagd auf Nick Flanagan zu machen, würden auch Elena finden und wohlbehalten zu ihm zurückbringen.
Der Graf suchte sein Arbeitszimmer auf und ließ nach José Bivaro rufen, seinem persönlichen Sekretär und Vertrauten. Er selbst konnte es nicht wagen, die Stadt so rasch wieder zu verlassen, ohne den Argwohn der Spitzel des Vizekönigs zu erregen; aber er würde Bivaro nach Port Royal entsenden und den Bricassarts Weisung erteilen, Elena zu befreien.
Und nicht nur das.
Noch etwas würde Navarro von seinen Verbündeten verlangen – Nick Flanagans Kopf auf einem silbernen Tablett.Zaghaft klopfte es an die Tür von Elena de Navarros Quartier, einer kleinen Kammer in einer heruntergekommenen Absteige, die nach Nick Flanagans Worten mehr als angemessen war, um die Tochter des Grafen zu
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