Die Erben der Schwarzen Flagge
geblieben – in Wahrheit waren es zwei Männer, die hier ihr Unwesen trieben, Vater und Sohn.
Cutlass Joe war erleichtert über diese Wendung, die den Franzosen gleich sehr viel weniger unheimlich erscheinen ließ, und sofort bekam er wieder Oberwasser, trotz der düsteren Umgebung und des glühenden Auges, das auf ihn starrte.
»Vater«, sprach der junge Bricassart den Feisten an und beseitigte damit auch den letzten Zweifel. »Dieser Mann hier behauptet, dabei gewesen zu sein, als Navarros Tochter aus Maracaibo entführt wurde.«
Das bleiche Gesicht zeigte keine Regung. »Ist das wahr?«, fragte der alte Bricassart mit abgrundtiefer Stimme.
»Ja, Sir«, bestätigte Cutlass Joe und verbeugte sich beflissen.
»Verrate uns alles, was du darüber weißt«, verlangte der Feiste – aber da kam er bei Joe an den Falschen.
Die Bricassarts schienen ein lebhaftes Interesse daran zu haben, etwas über den Verbleib von Elena de Navarro zu erfahren – und wo jemand etwas unbedingt haben wollte, war er auch bereit, etwas dafür zu bezahlen. Sofort erwachte Cutlass Joes Gier, und er beschloss, Kapital aus der Situation zu schlagen.
»Ich könnte Euch alles berichten«, verkündete er großspurig. »Die Frage ist, wie viel Ihr mir dafür bezahlen wollt.«
»Bezahlen?«, zischte der junge Kapitän. »Hund, du wagst es, so mit meinem Vater zu sprechen? Weißt du nicht, wen du vor dir hast?«
»Das weiß ich wohl. Aber auch der berüchtigte Commodore Bricassart muss die Regeln des Piratenkodex befolgen, odernicht? Und sie besagen, dass es keinen Dienst ohne Entlohnung gibt.«
Der alte Bricassart lachte leise, der Streit schien ihn zu belustigen. »Was willst du?«, fragte er.
»Die Frage ist, was Ihr wollt, Sir.«
»Sagen wir, es besteht meinerseits ein gewisses Interesse daran, die Tochter des Conde von Maracaibo aus den Händen Nick Flanagans zu befreien und in meine Gewalt zu bringen«, eröffnete der Piratenführer rundheraus.
»Ich verstehe.« Joe nickte – seinen Rivalen wertvolle Geiseln abzujagen, gehörte für Piraten zum Tagesgeschäft. Wahrscheinlich hatten die Bricassarts von Elenas Entführung erfahren und planten nun, das Lösegeld selbst zu kassieren. Ihm sollte es recht sein. Zum einen hatte er weder für die Spanier noch für Navarro etwas übrig, zum anderen würde es Nick Flanagan einen schweren Schlag versetzen, wenn ihm seine Lieblingsgeisel abhanden kam. Joe hatte sie nicht haben dürfen, aber Flanagan würde sie auf diese Weise auch nicht bekommen. Und wenn obendrein noch etwas dabei heraussprang …
»Nach allem, was wir wissen«, fuhr der alte Bricassart fort, »wird Elena de Navarro auf Tortuga festgehalten. Aber die Insel bietet eine Unzahl von Schlupfwinkeln, sodass wir kaum hoffen können, sie zu finden – es sei denn, du verrätst uns, wo die Tochter des Conde versteckt gehalten wird.«
»So ist es«, erwiderte Cutlass Joe grinsend. »Wenn ich es euch nicht sage, werdet ihr Navarros Tochter vermutlich nie finden. Ein hoher Preis scheint für mein Wissen also angemessen.«
Die übrigen Piraten, die den von Fackelschein beleuchteten Saal bevölkerten, warfen ihrem Oberhaupt furchtsame Blicke zu. Scheinbar kam es nicht oft vor, dass jemand vor Bricassart trat und Forderungen stellte. Aber das Oberhaupt derPiratenbruderschaft zeigte keine Anzeichen von Wut. Im Gegenteil – wenn Joe das Zucken in seinen Mundwinkeln richtig deutete, schien ihm solche Dreistigkeit zu imponieren.
»Was also willst du?«, fragte er wieder – und Cutlass beschloss, alles auf eine Karte zu setzen und die Gelegenheit zu nutzen, die ihm das Schicksal so unverhofft zugespielt hatte.
»Ich will ein eigenes Kommando«, erklärte er rundheraus. »Ein Schiff unter meinem Befehl.«
»Hast du Erfahrung als Kapitän?«
»Allerdings.«
»Nun gut.« Ein seltsames Lächeln spielte um die aufgedunsenen Züge Bricassarts. »Du sollst bekommen, wonach du verlangst. Aber ich warne dich, Engländer, du spielst mit hohem Einsatz. Wenn deine Informationen nichts wert sind und du uns betrogen hast …«
»Keine Sorge, ich sage die Wahrheit.«
»Dann rede«, verlangte der Franzose, und während das glühende Auge prüfend auf ihn starrte, rückte Cutlass Joe mit der Wahrheit heraus.
»Elena de Navarro«, erklärte er feierlich, »wird in einer Herberge im Hafen von Cayenne festgehalten. Ich kenne das Haus genau und kann Euch hinführen. Und ich weiß, wie viele Männer es bewachen.«
»Sehr gut.« Bricassart nickte seinem
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