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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Messer noch immer in der Hand hielt.
    »Was ist mit dem Rest, Sir?«, fragte einer der Piraten.
    »Um den Mast«, erwiderte Bricassart schlicht – die Rekrutierung war für heute abgeschlossen.
    Als sie auf das Hauptgebäude zutraten, das in früherer Zeit der Sitz des Gouverneurs gewesen sein mochte, erkannte Cutlass, dass die Fenster und Türen allesamt verbarrikadiert waren. Man hatte Schiffsplanken darüber genagelt und die Fugen mit Teer abgedichtet – gerade so, als ginge eine ansteckende Krankheit darin um. Nervös schielte der Bukanier nach seinen Begleitern, aberdie schienen sich nicht daran zu stören, also schwieg er und stellte keine Fragen.
    Es gab nur eine Tür, die ins Innere führte. Die Wachen öffneten sie, als Bricassart sich näherte. Jenseits des Eingangs herrschte düsteres Halbdunkel, und es dauerte eine Weile, bis Cutlass’ Augen sich daran gewöhnt hatten. Ein dunkler, nur von Fackelschein beleuchteter Gang führte weiter hinein. Schon nach wenigen Schritten konnte Cutlass Joe den bestialischen Gestank riechen. Der Ekel erregende Geruch von Fäulnis und Verwesung tränkte die Luft, aber weder Bricassart noch einer seiner Untergebenen schien davon Notiz zu nehmen.
    Wie Vieh, das stets denselben Pfad nimmt, passierten sie die Gänge, schienen ihren Weg durch das düstere Labyrinth genau zu kennen. Cutlass merkte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Etwas Unheimliches ging von diesem Ort aus – oder bildete er sich das nur ein? Hatte er zu lange mit Flanagan und dem Pfaffen herumgehangen? Oder war tatsächlich etwas dran an den Gerüchten, dass Bricassart mit dunklen Mächten im Bunde stand? Immerhin nannte seine Organisation sich »Bruderschaft des Todes« – und der Tod schien an diesem Ort gegenwärtig zu sein …
    Der Bukanier wappnete sich im Geiste gegen die Schrecken, die in der Dunkelheit auf ihn lauern mochten. Er redete sich ein, dass die Aussicht, sich an Flanagan für die ihm zugefügte Schmach zu rächen, jedes Opfer rechtfertigen würde – aber nichts konnte ihn auf das vorbereiten, was ihn tatsächlich erwartete.
    Denn die Schrecken, die über Cutlass Joe hereinbrachen, als seine Begleiter und er den Kern des düsteren Gewölbes erreichten, waren unbeschreiblich. Wie Blitze in einer stürmischen Nacht flackerten sie auf und brannten sich unauslöschlich in sein Bewusstsein.
    Joe sah verstümmelte Tierkadaver von der Decke des von Fackeln erhellten Saales hängen, die wohl der Ursprung des bestialischen Gestanks waren; er erblickte allerlei Schlangengetier, das sich auf dem Boden ringelte, und zuckte zusammen, als er einen riesigen Alligator erblickte – um im nächsten Moment zu erkennen, dass das Biest tot und ausgestopft war. Knochen lagen überall umher, und ihrer Größe nach zu urteilen, stammten sie nicht nur von Tieren. Am grässlichsten aber war die Gestalt anzusehen, die auf der gegenüberliegenden Seite des Saales auf einem bizarren Podest thronte; einem Podest, das aus Schädeln und Knochen erbaut war und das selbst auf einen buchstäblichen Halsabschneider wie Joe abstoßend wirkte.
    Der Mann, der auf dem Podium saß, schien aus allen Nähten zu platzen. Er war ohne Frage der fetteste Mensch, den Cutlass Joe in seinem Leben gesehen hatte. Die schwarze Kutte, die er trug, spannte sich über seiner breiten Brust, sein Gesicht war bleich wie eine Talgkerze, das Haupt kahl bis hinab zum wulstigen Nacken. Um den Hals trug er eine Kette, die mit Vogelkrallen, Knochen, Federn und anderen kleinen Gegenständen bestückt war. Cutlass verspürte den Drang, ob des grotesken Anblicks in Gelächter auszubrechen. Aber die Stimme der Vernunft sagte ihm, dass dies ein tödlicher Fehler wäre.
    Die Männer, die den Feisten umlagerten, begegneten diesem mit Unterwürfigkeit, und als der Fleischberg den Blick wandte, sah Cutlass sein rechtes Auge in roter Höllenglut lodern. Der Bukanier erschrak, als ihn der leere Blick des Auges traf. Kälte ergriff ihn und ließ ihn schaudern, und ihm wurde klar, dass dieser Mann der wahre Anführer der Piraten sein musste. Und obwohl Cutlass mit dem Messer gewöhnlich schneller war als mit dem Verstand, begriff er sofort den Zusammenhang: Der junge, schwarz gekleidete Kapitän war Bricassarts Sohn – dieÄhnlichkeit zwischen beiden war augenfällig. Und jene feiste Gestalt dort auf dem Podest war der wahre Commodore Bricassart.
    Das Phantom der Karibik.
    Deshalb also hatte es den Anschein, als wäre Bricassart über all die Jahre jung

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