Die Erben der Schwarzen Flagge
zurück, mit dem anderen kreuzte er die Klinge. In wilder Folge prallte der rostige Stahl aufeinander, bis der Seeräuber sich eine Blöße gab, durch die Nicks Säbel einen Weg fand. Eine klaffende Wunde in der Brust, ging der Pirat zu Boden, und Nick wandte sich seinem zweiten Gegner zu, während Unquatl und der Chinese von der anderen Korridorseite aus in den Kampf eingriffen.
Schneller als das Auge ihm zu folgen vermochte, hatte der Indianer einen weiteren Pfeil auf die Sehne gelegt, ließ ihn davonschnellen und durchbohrte so die Waffenhand eines Piraten, der seine Pistole fallen ließ. Gleich mit zwei Säbeln bewaffnet, mischte sich der Chinese mitten unter Bricassarts Männer, und indem er wie ein Derwisch umhersprang und trotz seiner fehlenden Zunge gellende Laute ausstieß, schlug er eine blutige Schneise in die Meute. Nick, der seinen Gegner inzwischen bezwungen hatte, sprang ihm bei, und gemeinsam drängten sie Bricassarts Leute zurück.
Einige der Piraten fanden den Tod unter ihren Klingen,andere wurden verwundet. Aber keiner von ihnen ergriff die Flucht, und so dauerte das Gefecht bis zum bitteren Ende. Selbst Pater O’Rorke griff nach einer Waffe und beteiligte sich am Kampf, hieb wütend um sich, bis keiner von Bricassarts Leuten mehr auf den Beinen stand.
Noch einmal hielt Unquatls Bogen blutige Ernte und fällte einen Piraten, der in seiner Bedrängnis Elena als lebenden Schild missbrauchen wollte. Dann war der Kampf vorbei, und Nick stand vor der jungen Frau, die ihn mit einer Mischung aus Erleichterung und Zweifel anblickte.
»Nick?«, fragte sie flüsternd.
»Zu Euren Diensten, Mylady«, erklärte er lächelnd.
»Aber das ist nicht möglich! Du bist tot! Ich habe gesehen, wie du niedergeschossen wurdest …«
»Es hat mich übel erwischt«, gab Nick zu und entblößte seine noch immer verbundene Schulter, »aber ich bin zäh – und ich lasse nicht zu, dass die Dame meines Herzens von Piraten entführt wird.«
»Die Dame deines Her …?«
Weiter ließ er sie nicht sprechen. Entschlossen zog er sie heran und küsste sie hart und heftig auf den Mund, tat, was er längst hätte tun sollen. Er war ein Narr gewesen auf Tortuga, und falls er Bricassarts Festung nicht mehr lebend verlassen sollte, wollte er wenigstens im Bewusstsein sterben, das Richtige getan zu haben.
Nach einem kurzen Augenblick des Widerstands erwiderte sie seine Zärtlichkeit, und als sie sich wieder voneinander trennten, sahen sie einander mit anderen Augen. Nicht mehr als Geisel und Entführer, nicht als Gefangene und Befreier, sondern mit den Augen eines Mannes und einer Frau, die trotz aller Gegensätze zueinander gefunden hatten.
»Aye, ihr beiden Turteltauben«, ließ sich Nobody Jimvernehmen. »Wenn ihr fertig seid, wollen wir zusehen, dass wir fortkommen. Ich kann mir denken, dass Bricassart es nicht besonders schätzt, wenn seine Wache massakriert wird.«
»Wir werden uns aufteilen«, sagte Nick. »Jim und Unquatl, ihr bringt Pater O’Rorke und Elena wie vereinbart zum Nordturm. Der Chinese und ich werden uns Bricassart vorknöpfen.«
»Nein!«, protestierte Elena energisch. »Du darfst nicht zu ihm gehen! Bricassart ist wahnsinnig! Er wird dich töten!«
»Ich muss«, widersprach Nick. »Dort unten in der Bucht sind drei Schiffe der britischen Marine, deren Besatzungen nicht die geringste Chance haben, wenn Bricassart am Leben bleibt.«
»Dann gehe ich mit dir.«
»Das kommt nicht in Frage.«
»Warum nicht?«, fragte sie ungerührt. »Glaubst du, ich hätte keinen Grund, mich an Bricassart zu rächen?«
»Darum geht es nicht. Ich werde dafür sorgen, dass Bricassart bekommt, was er verdient. Aber ich will nicht, dass du dich deswegen in Gefahr begibst.«
»In Gefahr?« Elena lachte bitter. »Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, Flanagan – wir schweben alle in Gefahr. Außerdem weiß ich, wo Bricassart sich aufhält, und kann euch führen. Schon deshalb komme ich mit.«
»Ich ebenso«, fügte Pater O’Rorke trotz seiner Verletzung hinzu. »Versuch erst gar nicht, uns davon abzubringen, Sohn.«
Ein wenig verblüfft über diese kleine Meuterei blickte Nick von einem zum anderen. Elenas Züge waren blass und ausgezehrt, es war ihr anzusehen, dass sie Schreckliches erlebt hatte. Aber ihre Lippen waren trotzig geschürzt, und in ihren dunklen Augen blitzte die alte Entschlossenheit. Es war offensichtlich, dass jeder Versuch, der Grafentochter ihren Entschluss auszureden, vergeblich sein
Weitere Kostenlose Bücher