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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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durch die sich die Treppe wand, waren die Kampfgeräusche und das Lärmen der Geschütze nur gedämpft zu hören. Umso eindringlicher war dafür der Ekel erregende Gestank, der immer beißender wurde, je weiter die Bukaniere hinabstiegen.
    »Alle Teufel«, maulte Nobody Jim. »Was ist das für ein Geruch?«
    »Tod und Verwesung«, flüsterte O’Rorke. »Dies ist ein Ort des Bösen. Schreckliche Dinge gehen hier vor sich, ich kann es spüren.«
    »Ruhig, Pater«, mahnte Nick. »Hysterie hilft uns nicht weiter. Wir müssen Elena finden und Bricassart erledigen, und wir haben dafür nicht viel Zeit. Wenn die Piraten erst zum Gegenschlag auf Scarboroughs Verband ausholen, wird davon nicht viel übrig bleiben.«
    Sie hasteten weiter, die schwitzenden Hände um die Fackeln und die Griffe ihrer Klingen gelegt. Der Gestank nahm noch zu, sodass auch Nick sich zu fragen begann, an welch grässlichen Ort es sie verschlagen haben mochte. Die Schauergeschichten, die ihm über Bricassart und seine Bruderschaft der Toten zu Ohren gekommen waren, waren plötzlich wieder gegenwärtig, und er fragte sich, wie all diese Schrecken zu dem blassen jungen Mann passen mochten, dem er auf Tortuga begegnet war.
    Bricassart war ein Tunichtgut und Halsabschneider, gewiss – aber war er dazu fähig, einen Ort wie diesen zu schaffen? Oder wirkte in den Tiefen der alten Gouverneursfestung, in der Düsternis der verlassenen Säle und Gänge, noch etwas anderes? Etwas Unheimliches, Böses, dessen Natur sie nicht einmal erahnen konnten?
    Unvermittelt stießen sie auf einen breiten Korridor, dessen Wände mit fremdartigen Zeichnungen versehen waren. Nick wusste nur zu gut, woraus die dunkle Farbe bestand, mit der sie gemalt waren.
    Blut …
    Pater O’Rorke bekreuzigte sich beim Anblick der frevelhaften Bilder, konnte jedoch nicht umhin, einige davon näher zu betrachten. »Diese Darstellung zeigt ein Tieropfer«, stellte er flüsternd fest, »und hier ist zu sehen, wie ein Mensch einem Ritualunterzogen wird. Auf diesem Bild scheint er aus einer Art Becher oder Gefäß zu trinken, und auf diesem Bild ist er tot. Auf jenem Bild dort scheint er jedoch zu neuem Leben zu erwachen – was mag das bedeuten?«
    Die Bukaniere kamen nicht dazu, über das Rätsel nachzusinnen, denn plötzlich drangen Stiefeltritte den Gang herauf.
    »Rasch, versteckt euch!«, zischte Nick seinen Kameraden zu, und indem sie eilig die Fackeln löschten, pressten sie sich in die Nischen zu beiden Seiten des breiten Ganges.
    Die Schritte kamen näher; Nicks Schätzung nach waren es an die zehn Mann, die jeden Augenblick das Versteck der Bukaniere passieren würden. O’Rorke, der mit ihm in der Nische kauerte, hielt den Atem an, Nobody Jim umfasste den Griff des Entermessers.
    Lange, flackernde Schatten wuchsen über den Boden, und schließlich folgten ihre Besitzer. Es waren tumbe, grobschlächtige Kerle wie jene, die Tortuga überfallen hatten. Ihre Kleidung bestand aus weiten Seemannshosen und breiten Schärpen, in denen Pistolen und Dolche steckten, dazu trugen sie kurze Westen und Pulvergürtel. Um ihre Häupter hatten sie Stirnbänder und bunte Tücher geschlungen, und in ihren Fäusten hielten sie Enterhaken und Säbel.
    Die schwerfällige, gleichgültige Weise, in der sie sich bewegten, hatte etwas Unheimliches, aber Nick hatte keine Augen dafür. Seine Aufmerksamkeit galt allein der zierlichen Gestalt mit dem langen schwarzen Haar, die in der Mitte der Gruppe schritt und ein Kleid aus weißer Seide trug, das mit dunklem Blut besudelt war.
    »Elena!«
    Erst als sich einer der Piraten zu ihm umwandte und ein bestialisches Knurren vernehmen ließ, wurde Nick klar, dass er ihrenNamen laut gerufen hatte. Sein Glück darüber, Elena wohlauf und am Leben zu sehen, war für einen Augenblick stärker gewesen als alle Vernunft – und dieser Augenblick kostete ihn fast das Leben.
    Wutschnaubend trat der Seeräuber einen Schritt vor und stach mit der Spitze des Enterhakens nach Nick. Der war zu überrascht, um auszuweichen und wäre von dem tödlichen Stahl durchbohrt worden, hätte nicht plötzlich ein gefiederter Schaft im Genick des Piraten gesteckt.
    Keuchend und mit verdrehten Augen sank der Seeräuber auf die Knie. Im nächsten Augenblick setzte zwischen seinen Kumpanen und den Bukanieren ein heftiges Handgemenge ein. Mit einem gellenden Schrei sprang Nobody Jim vor und fällte einen Gegner. Nick, der sich zwei Piraten gleichzeitig gegenübersah, stieß den einen mit dem Fuß

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