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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ihre Peitschen und schlugen damit um sich, worauf die beiden Erkrankten sich tatsächlich vom Boden erhoben und, noch immer mit blutroten Augen und Schaum vor den Mündern, aus dem Unterstand wankten.
    Es war ein grotesker Anblick: Abstand haltend und immerzu mit den Peitschen knallend, trieben die Wächter die beiden Gefangenen durch das Sklavendorf und zum großen Tor hinaus. Dass die vermeintlich Infizierten dabei immer schneller gingen und sich immer weniger wild gebärdeten, fiel den Aufsehern in ihrer Furcht gar nicht auf. Ein Stück weit folgten sie dem Sklavenpfad, der aus der Stadt und den Berg hinaufführte. Dann forderten sie die Sklaven auf, stehen zu bleiben, um sie kaltblütig zu erschießen. Aber noch bevor die beiden Wächter dazu kamen, ihre Pistolen zu zücken, wandten sich die Gefangenen zu ihnen um und fielen mit blanken Fäusten über sie her. Von der Seuche, die eben noch ihre Glieder geschüttelt hatte, waren sie schlagartig geheilt.
    Der eine Wärter stieß einen verblüfften Schrei aus, ehe die geballte Faust des Weißen ihn mit einem einzigen Hieb zu Boden schmetterte. Der andere Aufseher wich dem Angriff seines Gegners aus und schlug mit der Peitsche zu. Dadurch verschaffte er sich etwas Zeit, sodass es ihm gelang, die Pistole aus dem Gürtel zu ziehen.
    Der Finger am Abzug zuckte, und das Steinschloss schnappte zu – aber die Kugel, die mit lautem Knall aus dem Lauf fegte, war zu hastig und ungenau gezielt, als dass sie ihr Ziel getroffenhätte. Wirkungslos grub sie sich in den weichen Waldboden, und im nächsten Augenblick wurde der Aufseher von einem Knüppel getroffen, der wie ein Blitz aus heiterem Himmel niederging und ihn zu Boden schickte.
    »Das wäre erledigt«, sagte Nick Flanagan, warf das Holz fort und blickte triumphierend auf den Bewusstlosen. Dann hielt er inne und sog die laue Nachtluft in seine Lungen, die frischer und würziger schmeckte als je zuvor, denn zum ersten Mal nach undenklich langer Zeit atmete er sie als freier Mann. Wie auch immer diese Nacht enden mochte – für einen kurzen Augenblick waren Jim und er frei gewesen.
    »Kaum zu glauben«, meinte der Afrikaner, während er sich bückte, um Waffen und Munition der Wächter an sich zu nehmen, »Unquatls Trick hat tatsächlich geklappt.«
    »Ja«, stimmte Nick zu, während er die Pistole auffing, die Jim ihm zuwarf, »das Blätterzeug schmeckt zwar bitter wie Galle, aber es macht fürchterliche Augen und zaubert Schaum vor den Mund. Nicht nur, dass diese Idioten darauf reingefallen sind, sie haben uns auch noch von unseren Fußfesseln befreit.«
    »Und das ist gut so«, meinte Jim. »Der Schuss hat sicher die halbe Garnison alarmiert. Es wird nicht lange dauern, bis …«
    In diesem Moment erklang jenseits der Bäume bereits die Alarmglocke, und aufgebrachtes Geschrei war zu hören.
    »Es ist so weit«, stellte Nick fest. »Jetzt heißt es, die Beine in die Hand nehmen und laufen. Bist du bereit, mein Freund?«
    »Seit fünf verdammten Jahren«, gab Jim grimmig zurück. »Die Freiheit oder der Tod.«
    »Freiheit oder Tod«, bestätigte Nick, und sie begannen zu laufen, den steilen Pfad hinauf, den sie so oft beschritten hatten. Aber diesmal wurden ihre Füße nicht von Ketten beschwert, und die Aussicht auf Freiheit beflügelte ihre Schritte.
    Für die beiden Flüchtlinge erwies es sich als unschätzbarer Vorteil, dass sie jede Wurzel und jede Biegung des Pfades kannten. Denn der Mond, der hoch über den Klippen stand, hüllte sich in dichte Wolken, sodass im Dschungel undurchdringliches Dunkel herrschte. Wo andere sich behutsam vorantasten mussten, fanden die Freunde mit Leichtigkeit ihren Weg, dem schmalen Pfad folgend und immer weiter hinauf.
    Gelegentlich, wenn eine Lichtung den Dschungel durchbrach, konnten sie einen Blick auf die Stadt und das Lager erhaschen. Fackeln waren entzündet worden, Wachen rannten aufgeschreckt umher. Ihre Flucht war bereits bemerkt worden; ein Zug hatte sich formiert, der sich zur einen Hälfte aus Aufsehern, zur anderen aus Soldaten zusammensetzte und dessen Aufgabe es sein würde, die entlaufenen Sklaven zurückzubringen, tot oder lebendig. Und über hektisch gebrüllten Befehlen hörte Nick etwas, das ihm ganz und gar nicht gefiel: das Gebell von Hunden.
    Die Aufseher setzten ihre Bluthunde ein …
    »Lauf so schnell du kannst«, zischte er Jim zu, »die Spanier hetzen ihre Hunde auf uns.«
    »Sollen sie nur, uns erreichen sie doch nicht mehr«, gab Jim zurück, aber

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