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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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verrückt?« Jim blickte ihn verständnislos an. »Du glaubst doch nicht etwa an diesen Hokuspokus?«
    »Ich denke nicht, dass wir eine Wahl haben«, gab Nick zurück. »Wenn Unquatl sagt, dass die Sache funktioniert, dann glaube ich ihm.«
    »Aber …«
    »Bist du dabei oder nicht?«, wollte Nick unverwandt wissen.
    Jim überlegte mit mahlenden Kieferknochen. »Ich bin dabei«, erklärte er schließlich. »Aber wenn die Sache schief geht, rede ich nie wieder ein Wort mit dir, das kannst du mir glauben.«
    »Das glaube ich dir aufs Wort, mein Freund«, erwiderte Nick mit verwegenem Grinsen, denn natürlich war beiden nur zu klar, wo sie enden würden, wenn sie gefasst würden. »Dann ist es also beschlossen. Wir drei werden fliehen.«
    »Nein«, wandte Unquatl ein. »Ich bleiben.«
    »Was? Aber sagtest du nicht, dass deine Freunde hier sind? Willst du nicht mit ihnen kommen, wenn sie diesem Ort den Rücken kehren?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Unquatl nicht mehr kräftig wie früher. Fliehen heißt schnell laufen. Unquatl würde Freunde nur aufhalten.«
    Nick schnitt eine Grimasse. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass der Indianer, der für ihn so etwas wie ein großer Bruder war, im Lager zurückbleiben sollte. Andererseits wusste er, dass Unquatl nur zu Recht hatte. Vermutlich würde ihre Flucht nicht lange unbemerkt bleiben, und dann waren schnelle Beine alles, was sie vor dem Galgen retten konnte.
    »Ich möchte nicht ohne dich gehen«, sagte Nick.
    »Unquatl weiß«, versicherte der Indianer, und die Andeutung eines Lächelns huschte über seine hageren, tätowierten Züge. »Werden immer Freunde sein, versprechen. Aber Unquatl müssen bleiben. Ihr ihn brauchen.«
    »Wir brauchen dich?«, fragte Jim. »Wofür?«
    »Damit Zauber der Blätter wirkt«, sagte der Indianer und entblößte seine Zähne zu einem breiten Grinsen.
    Nick hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Er wusste nur, dass noch nie zuvor einem Gefangenen die Flucht aus dem Lager geglückt war – und dass die Chancen gegen sie standen …
     
     
     
    Es war kurz nach Mitternacht, als ein gellender Schrei die Stille über dem Sklavendorf zerriss.
    »Hilfe! Hilfe!«
    Es war ein Schrei voller Todesangst, der die Aufmerksamkeit der Wächter auf sich zog, die zwischen den schäbigen Hütten patrouillierten. Die Peitschen in der Hand und wüste Verwünschungen auf den Lippen, suchten sie den Unterstand auf, aus dem die heiseren Schreie drangen. Was sie dort sahen, erfüllte sie mit Entsetzen.
    Zwei der Sklaven – ein Weißer und ein Schwarzer – lagen auf dem Boden und schüttelten sich in Krämpfen. Ihre Augen waren blutunterlaufen, Schaum stand ihnen vor dem Mund.
    »Was ist hier los?«, fragten sie den Gefangenen, der ihnen am nächsten lag – einen hünenhaften Wilden mit kahlem Haupt und tätowiertem Gesicht.
    »Nicht wissen«, behauptete der Indianer. »Plötzlich schreien und brüllen. Sein krank …«
    »Verdammt, das sehe ich auch, dass die beiden krank sind«, blaffte der eine Wächter panisch. »Was, in aller Welt, haben sie?«
    »Nicht wissen. Einer der beiden im Kerker gewesen …«
    »Dort gibt es Unmengen von Ratten«, rief der andere bestürzt. »Sicher haben die beiden die Pest oder Cholera oder noch was Schlimmeres.«
    »Glaubst du?«
    »Sieh sie dir doch nur an.«
    »Verdammt, wir brauchen schnell einen Arzt.«
    »Blödsinn, der kann ihnen auch nicht mehr helfen. Wir müssen die beiden rasch aus dem Lager schaffen.«
    »Und was dann?«
    »Dann geben wir ihnen den Rest und verbrennen ihre Leichen. Das ist das Beste, was wir tun können. Oder willst du Navarro unter die Augen treten und ihm sagen, dass bei seinen Sklaven eine Epidemie ausgebrochen ist und wir die Silbertransporte aussetzen müssen?«
    »Teufel, nein.«
    »Dann los. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
    Unter den Blicken des Indianers, dessen Gesicht keine Regung verriet, während er innerlich über die Dummheit der beiden lachte, schickten sich die Wächter an, die Fußschellen der beiden Gefangenen aufzuschließen und sie von der dicken Kette zu nehmen, an der alle Sklaven der Unterkunft aufgefädelt waren wie Perlen an einer Schnur. Die Kranken von der Kette zu lösen,hätte zu viel Zeit in Anspruch genommen – rascher ging es, wenn man ihnen einfach die Fußfesseln abnahm. Sie würden sie ohnehin nicht mehr brauchen.
    »Aufstehen, los!«, herrschten die Wächter die beiden an, die sich noch immer am Boden wanden. In hilfloser Panik entrollten die Aufseher

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