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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Gesetz.«
    »Und wenn schon. Rausgeworfen zu werden ist immer noch besser, als gar nicht erst reingehen zu können«, konterte Jim mit entwaffnender Logik, und darauf wusste auch Nick nichts zu entgegnen. Er hatte nie verstanden, was sich Weiße auf ihre Hautfarbe einbildeten – im Sklavenlager von Maracaibo waren sie allegleich gewesen, vereint durch den Hass auf ihre spanischen Herren.
    Durch einen Irrgarten aus Lichtfingern, die die Sonne durch das Blätterdach schickte und die Schwaden von Dampf aus dem Sumpf aufsteigen ließen, suchten die beiden jungen Männer weiter ihren Weg. In Ermangelung eines Messers verwendeten sie kurze Holzpflöcke dazu, sich einen Pfad durch das Gewirr der Schlingpflanzen zu schlagen. Nur gelegentlich rasteten sie, und je länger der Marsch dauerte, desto weniger wurde gesprochen. Als die Sonne höher stieg, wurde es heißer und drückender, und der brennende Durst geriet zur Qual.
    Nick merkte, wie seine Schritte kürzer und unsicherer wurden, Jim aber begann bereits zu wanken. Sie brauchten dringend Wasser, doch eine Quelle schien es weit und breit nicht zu geben.
    »Ist das zu glauben?«, murmelte Jim mit kraftloser Stimme. »Wir stecken hier mitten im Sumpf, und dort drüben ist das Meer. Wir sind ringsum von Wasser umgeben und verdursten.«
    »Wir müssen durchhalten«, schärfte Nick ihm ein. »Weiter landeinwärts gibt es Berge. Und wo Berge sind, gibt es auch Wasser. Sicher stoßen wir bald auf einen Fluss oder einen Bach.«
    »Meinst du?«
    »Ganz sicher«, gab sich Nick überzeugt, während er selbst fast verzweifelte. Nur sein Verantwortungsgefühl gegenüber dem Freund trieb ihn dazu, so zu tun, als ob alles in bester Ordnung wäre. In Wahrheit machte er sich ernste Sorgen. Wenn sie nicht bald auf eine Quelle stießen, waren sie zu einem grausamen Tod verdammt.
    Unvermittelt öffnete sich vor ihnen das dichte Buschwerk, und sie gelangten auf eine weite Lichtung, die von Sumpflöchern und abgestorbenen Bäumen übersät war. Morsches Holz lag überall umher, es roch nach Tod und Verwesung. Schon nachwenigen Schritten erkannte Nick den Grund dafür – zahllose Kadaver lagen über den morastigen Boden verstreut, die Überreste von Wildschweinen, die hier elend zugrunde gegangen waren.
    »So werden wir auch bald aussehen, wenn wir kein Wasser finden«, orakelte Jim verdrießlich.
    »Sieh lieber zu, dass du nicht daneben trittst«, forderte Nick ihn auf. Zwar brauchten sie sich zur Abwechslung keinen Pfad durch das Dickicht zu bahnen, dafür war der Boden unter ihren Füßen trügerisch und drohte jeden Augenblick nachzugeben. Von dem erbärmlichen Gestank, der die schwüle Luft tränkte, ganz zu schweigen. Nick und Jim waren darauf bedacht, ihren Weg über die Lichtung zu finden, und bemerkten darüber nicht, dass sie verfolgt wurden und einige der abgestorbenen Stämme, die die Lichtung übersäten, zum Leben erwacht waren.
    Wie eine Galgenschlinge zog sich der Ring ihrer Verfolger um sie zusammen; sie bemerkten ihn erst, als es schon zu spät war.
    Die beiden Flüchtlinge hatten die gegenüberliegende Seite der Lichtung fast erreicht, als Jim einen heiseren Schrei ausstieß. Unmittelbar vor ihm teilte sich das Dickicht, und etwas setzte daraus hervor, das auf den ersten Blick nur aus einem geifernden Rachen und zwei Reihen gelber, reißender Zähne bestand.
    Der Afrikaner sprang instinktiv zur Seite, als der Alligator nach ihm schnappte, aber da ließen die Artgenossen des gefräßigen Reptils die Falle zuschnappen.
    Aus allen Richtungen tauchten plötzlich gedrungene grüne Körper mit klaffenden Mäulern auf, die man vor einem Augenblick noch für harmloses Treibholz hätte halten können. Angriffslustig fauchten sie und blitzten die beiden Eindringlinge aus kalten Reptilienaugen an. Jetzt war Nick nur zu klar, woher der beißende Gestank rührte und die Knochen stammten – sie waren in ein Alligatorennest geraten.
    Er zögerte keinen Augenblick.
    »Zur Seite!«, rief er, stieß Jim aus der Schusslinie und feuerte seine Pistole auf das Leittier ab.
    Die Kugel traf den Alligator in den Kopf, worauf sich das Tier aufbäumte und noch einmal mit den mörderischen Kiefern schnappte, um sich dann bäuchlings in den Morast zu werfen und reglos liegen zu bleiben. Die anderen Alligatoren schienen dies jedoch als Ansporn zu nehmen. Unter wüstem Gebrüll schossen sie aus den Sumpflöchern, mit einer Behändigkeit, die Nick ihren massigen Körpern nicht zugetraut hätte. Schon war

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