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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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mit seiner Herkunft auf sich hatte; nur als freiem Mann bot sich ihm dazu eine Gelegenheit. Solange der alte Angus am Leben gewesen war, hatte Nick es als seine Pflicht angesehen, bei ihm zu bleiben und sich seiner anzunehmen. Nun jedoch hielt ihn nichts mehr. Er musste versuchen, aus dem Lager zu entkommen, ganz gleich, wie hoch das Wagnis sein mochte.
    Und wenn es das Schicksal wollte, würde er eines Tages zurückkehren und seinen Ziehvater rächen …

4.
    F lucht? Ist das dein Ernst?«
    Nobody Jim hatte die Worte nur geflüstert, dennoch blickte sich Nick misstrauisch um. Im Lager gab es kaum Wände, dafür überall neugierige Ohren. Schon mancher Gefangene hatte seine Kameraden verraten, weil er sich dadurch bei den Aufsehern einen Vorteil versprochen hatte. Es war ein Risiko, jemandem von der geplanten Flucht zu erzählen, aber Jim und Unquatl waren Nicks beste Freunde, und er wollte nicht gehen, ohne denbeiden wenigstens die Chance gegeben zu haben, mit ihm zu kommen.
    »Mein voller Ernst«, gab Nick zurück. »Ich habe keine Lust, hier zu bleiben und darauf zu warten, dass es mir ebenso ergeht wie dem armen Angus. Navarro wird erst zufrieden sein, wenn wir alle draufgegangen sind, und so lange werde ich nicht warten.«
    »Aber eine Flucht ist verdammt gefährlich. Wenn sie dich erwischen …«
    »… wird das den Gang der Dinge nur beschleunigen«, gab Nick mit bitterer Entschlossenheit zurück. »Wie ich es sehe, haben wir nichts zu verlieren.«
    »Das sagst du«, erwiderte Jim und ließ seine weißen Zähne blitzen. »Ich bin überzeugt, der Holländer würde etwas anderes sagen, wenn er noch reden könnte.«
    »Der Holländer war ein Narr. Er hat seine Flucht nicht vorbereitet und ist einfach drauflosgerannt. Diesen Fehler werde ich nicht wiederholen.«
    »Du haben Plan?«, erkundigte sich Unquatl. Der Indianer, der aus den britisch-amerikanischen Kolonien stammte und eine Tätowierung über der linken Gesichtshälfte trug, redete nicht viel – er machte gewöhnlich nur dann den Mund auf, wenn er wirklich etwas zu sagen hatte.
    »Allerdings«, versicherte Nick.
    »Und wie sieht dieser Plan aus?«, fragte Jim. »Tagsüber ist es so gut wie unmöglich, ungesehen zu verschwinden. Und nachts werden wir alle aneinander gekettet, wie du weißt.«
    »Daran habe ich gedacht. Ich werde in den nächsten Tagen versuchen, mir eine Zange aus der Schmiede zu besorgen. Damit müsste es uns gelingen, die Ketten aufzubrechen.«
    »Keine gute Idee«, sagte Unquatl nur. »Zu lange und zu laut.«
    »Ach ja?« Nick, der vor Tatendrang fast platzte, bedachte ihn mit einem unwilligen Blick. »Hast du vielleicht einen besseren Vorschlag?«
    »Denken schon.«
    »Tatsächlich?« Nick und Jim schauten einander verwundert an – der Indianer steckte voller Überraschungen.
    Ohne eine Miene zu verziehen, griff Unquatl in die Tasche, die in den Bund seiner abgetragenen Hose eingearbeitet war, und beförderte eine Hand voll getrockneter Blätter zutage, die eine ovale Form mit gezackten Rändern besaßen.
    »Was ist das?«, fragte Nick.
    »Wächst in meiner Heimat«, erklärte der Indianer unverwandt.
    »Und was soll ich damit?«
    »Du kosten, dann du wissen«, lautete Unquatls lapidare Antwort. »Sein Weg in die Freiheit.«
    »Dieses Laubzeug soll unser Weg in die Freiheit sein?« Auch Nobody Jim war skeptisch.
    »Ja. Sorgen dafür, dass Ketten verschwinden.«
    »Tut mir Leid, Unquatl, aber ich glaube nicht an Zauberei«, sagte Nick. »Ein paar getrocknete Blätter können eiserne Ketten nicht verschwinden lassen. Das ist einfach unmöglich.«
    »Nicht unmöglich. Du sehen.«
    Wie immer sprach der Indianer mit einer Endgültigkeit, gegen die schwer anzukommen war. Unquatl schien davon überzeugt zu sein, dass diese unscheinbaren Blätter ihnen den Weg in die Freiheit ebnen konnten – wie, darüber verlor er kein Wort. Und noch eine Frage blieb offen …
    »Eins verstehe ich nicht, Unquatl«, meinte Nick. »Du scheinst diese Blätter schon sehr lange mit dir herumzutragen …«
    »Ja«, stimmte der Indianer zu. »Schon sehr lange.«
    »Warum hast du sie dann nie benutzt, wenn sie dich angeblich befreien können?«
    »Weil Heimat weit weg und Freunde hier«, lautete die ebenso einfache wie überzeugende Antwort.
    »Ich verstehe«, sagte Nick und blickte dem Indianer tief in die Augen. »Und diese Blätter werden die Ketten wirklich beseitigen?«
    »Du sehen.«
    »Na schön. Ich werde es darauf ankommen lassen.«
    »Was, bist du

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