Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Cremeschicht verstecken. Mir fiel das gelb-weiße Etikett der Ampulle ins Auge: YH4-32.1. Ob das YH für Yellowstone Hub stand? »Wofür brauchen Sie das ganze Blut?«
»Nun, schließlich warst du verletzt – und im See kann es Bakterien geben. Ich möchte einfach nur auf Nummer sicher gehen, dass du dich nicht infiziert hast.« Sie wechselte die Nadel.
Die Antwort überzeugte mich nicht ganz; sie klang einfach zu vage. Deshalb stellte ich die andere Frage, die mich beschäftigte: »Wie geht es Colleen?«
Dr. Maria war schon wieder am Tisch und legte die Ampulle mit meinem Blut in eine kleine Maschine. Ein sirrendes Geräusch erklang, und ich fragte mich schon, ob sie mich vielleicht überhört hatte, doch dann antwortete sie: »Ganz okay. Ihr Zustand soll schon viel besser sein.«
Da glaubte ich ein leichtes Zittern in ihrer Stimme zu bemerken, und sie blinzelte mehrmals und tippte auf ihrem Pad. Ich studierte sie ganz genau: War da ein Schimmer in ihren Augen? Schon möglich, wenn die Sache sie beschäftigte. Gestern hatte sie ziemlich mitgenommen gewirkt. Vielleicht fühlte sie sich auch schuldig; wenn Colleen wirklich eine Allergie gehabt hatte, so wie Paul behauptete, hätte sie das schließlich bemerken müssen. Oder sie war so angespannt, weil es doch irgendeinen Zusammenhang zwischen Colleen, mir und meinen neuen Freunden gab. Es bildeten sich aber keine richtigen Tränen. Ich hätte sie gerne noch mehr gefragt, wusste aber nicht recht, wie ich zu ihr durchdringen sollte.
Im EdenNet war nun Aaron zu hören:
Danke, Teresa. Heute kriegen wir die Auswirkungen leicht erhöhter Sonnenaktivität zu spüren. Die Strahlenwerte sind draußen zwar gestiegen, die gute Nachricht aber ist, dass der Strahlenschutz und die neuen Paneele unseren aktuellen Integritätswert sogar auf 87,5 Prozent erhöht haben. Vergesst zur Mittagszeit trotzdem nicht eure Strahlencreme.
»Du kannst jetzt gehen«, sagte Dr. Maria abwesend vom Tisch her. Die kleine Maschine hatte aufgehört, sich zu drehen.
»Okay.« Ich ging mit dem Gefühl, genauso ahnungslos wie zuvor zu sein. War ich doch nur ihr Versuchskaninchen? Eine neue Welle der Müdigkeit spülte über mich hinweg – vielleicht wegen dieser ganzen Geheimniskrämerei. Darin hatte ich noch nie viel Übung gehabt.
Ich verließ das Krankenhaus und ging am Speisesaal vorbei den Hügel hinab. Gerade hatte ich den Fahnenmast erreicht und wollte weiter Richtung Werkhaus, als ich eine größere Menschenmenge auf dem Sportplatz bemerkte. Zwei Gruppen standen dort im Kreis, die Klammeräffchen und unsere Hütte. Als ich näher kam, hörte ich das Wimmern.
Inmitten des Auflaufs entdeckte ich Todd und einen anderen Betreuer – ich glaube, sein Name war Blake –, die am Boden knieten. Vor ihnen lag ein kleiner Junge. Er stöhnte, die Augen halb geschlossen.
»Das sind doch Verbrennungen«, sagte Todd.
Blake war panisch, sein Gesicht ganz rot. »Aber … es ist doch erst zehn Uhr früh! Ich dachte, es wäre alles in Ordnung. Ich habe nicht kontrolliert, ob sie sich eingecremt haben …«
»Bring ihn ins Krankenhaus«, sagte Todd.
Blake half dem Jungen aufzustehen. Sein Gesicht war ganz aufgequollen und mit gelblichen Blasen übersät, von denen einige geplatzt waren; eine rötliche Flüssigkeit tropfte aus ihnen heraus. Ich hatte so was schon gesehen: die typischen Symptome einer leichten Strahlenkrankheit. Ich wandte den Blick nach oben; halb erwartete ich, brennende Kuppelpaneele auf uns herabregnen und die innere Schutzhülle dahinschmelzen zu sehen, doch über uns erstreckte sich bloß der wolkenbesprenkelte Kunsthimmel im idyllisch weichen SafeSun-Licht.
»Ich dachte erst, er hat einen Sonnenstich«, murmelte Blake und führte seine Gruppe den Hügel hinauf.
»Los, Jungs«, sagte Todd müde. »Der Seilgarten liegt im Wald, dort sind wir etwas geschützter. Ihr habt euch aber alle eingecremt, oder?«
»Ja«, antworteten alle, etwas folgsamer als üblich.
Also ging es über den Sportplatz weiter in den Wald, an unserer Hütte vorbei und einen schmalen Pfad am Rand des Sees entlang. Die ganze Zeit musste ich an die Verbrennungen denken, und dass die Kuppelintegrität laut EdenNet doch sehr hoch war, Lilly diese Berichte aber für gelogen hielt. Auch Pauls wütendes Gespräch mit dem Vorstand fiel mir wieder ein, und ich fragte mich, ob der Bericht, über den er sich so aufgeregt hatte, vielleicht hiermit zu tun hatte.
Mit der Zeit fiel ich in eine Art Halbschlaf, bis
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