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Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Emerson
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ungefähr ging es mir jedenfalls. Natürlich mussten wir als Nächstes unser eigenes Haus abbrennen.«
    »Eure ganzen Sachen?«, fragte Aliah.
    »Nicht alles, aber das meiste. Es gab eine Initiative, möglichst wenig brennbares Material zurückzulassen, und nichts, was Vandalen anlockte. Damals hörte man zum ersten Mal davon, dass die Nomaden sich organisierten und die aufgegebenen Städte nach Vorräten durchkämmten. Irgendwie störte das die Leute. Sie wollten nicht, dass jemand anders ihre Sachen bekam. Manche brachten es auch gar nicht fertig, alles zu verbrennen. Sie hatten das Gefühl, als sollten sie sich selbst verbrennen – als würde erst der eigene Besitz einen Menschen ausmachen. Natürlich war es schlimm, mein Bett zu verlieren – so viele Kleider, Stofftiere, den ganzen Kram; aber später war ich froh, dass meine Eltern es verbrannt haben. Wir hatten Backups von unseren Fotos und Videos gemacht und den Kofferraum mit Klamotten und Campingausrüstung für die Fahrt nach Norden vollgestopft. Danach war es fast schon poetisch, den Rest zu verbrennen und der Erde zurückzugeben oder so.
    Wir haben uns also am Ende der Auffahrt um die Zündschnur versammelt. Dad hat meinem Bruder Anton das Streichholz gegeben, aber Anton wollte nicht, also gab er’s mir. Gerade, als ich’s tun wollte, ist Mom völlig durchgedreht. Sie ist noch mal nach drinnen gerannt und kam dann mit dieser blöden palmenförmigen Lampe zurück, die aus ihrer Collegezeit stammte. Sie weinte und wollte unbedingt noch diese Lampe mitnehmen.
    Dad gab sein Okay, und dann habe ich die Lunte angezündet. Die Funken sind die Auffahrt hochgesprungen wie ein kleines Tier, das man gerade freigelassen hat, vorbei an den toten Büschen, über die Stufen, durch die Eingangstür – und dann ging das ganze Haus in Flammen auf. Wir haben zugesehen, Mom weinte, und Dad sagte die ganze Zeit, dass schon alles wieder gut werden würde.«
    »Das muss echt hart gewesen sein«, sagte ich.
    Lilly lachte. »Irgendwie hat es mir beinahe Spaß gemacht. Das alles brennen zu sehen war schon echt … aufregend. Ich meine, ich hatte mein ganzes Leben in dem Haus verbracht, und auf einmal war nur noch ein bisschen Asche davon übrig. Wahrscheinlich hätte ich traurig sein sollen, aber weißt du, ich fand nicht mal, dass wir noch ein Recht darauf hatten. Wer waren wir denn, dass uns ein Haus mit acht Zimmern und zwei Bädern zustand, mit Wasser und Strom auf Knopfdruck aus dem Nichts? So viele Leute lebten schon lange ohne das alles, und in den Nachrichten hatten wir die Kämpfe und Aufstände im Norden und den Massenselbstmord in Lagos gesehen. Dad meinte dann immer, wir hätten es noch viel schlechter erwischen können.«
    »Vermisst du es denn nicht?«, fragte ich.
    »Ach was«, sagte Lilly; es klang, als wäre sie sich ihrer Sache ziemlich sicher. »Aber komisch war es schon. Ich war schließlich erst acht, und irgendwie glaubte ich wohl, dass wir bald ein neues Haus haben würden. Dann aber sind wir nach Norden gefahren und haben ein paar Jahre in einer Einzimmerwohnung in Calgary gewohnt, wo wir uns das Bad mit dem ganzen Stockwerk teilen mussten. Die ganze Zeit haben wir darauf gewartet, dass der Krieg zu Ende ging und unser Einreiseantrag für die AKF bewilligt wurde. Es war wirklich schlimm, und auf der ganzen Welt wurde es immer schlimmer. Dann ist Mom krank geworden, Anton ist abgehauen … und da haben meine Eltern dann beschlossen, mich hier unterzubringen.« Sie stockte. Die letzten Sätze waren ihr sehr schwergefallen. Mit leiserer Stimme fuhr sie fort. »Und es war echt komisch, hier wieder aufzuwachen, wisst ihr? Alles war so perfekt. Mir war, als hätte ich mein ganzes Leben versäumt, als wäre ich gestorben und im Jenseits wieder zu mir gekommen. Ich kam mir betrogen vor.«
    »Du hast doch Glück gehabt«, meinte Evan, als wollte er sie trösten. Sie schienen heute Nacht eine Art Waffenruhe geschlossen zu haben, doch es war ein brüchiger Frieden.
    »Irgendwie schon«, flüsterte sie.
    Wir schwiegen eine Weile. Ich hätte gerne noch mehr über ihren Bruder gehört oder darüber, wie es war, ihren Eltern Lebwohl zu sagen; aber ich war mir nicht sicher, ob sie darüber reden wollte, und die anderen kannten die Geschichte wahrscheinlich schon.
    Da blitzte hinter uns auf einmal ein grelles Licht über den Himmel, und wir hörten ein tiefes Grollen wie von Donner. »Was war das denn?«, fragte ich und drehte mich um. Ein weiterer Blitz zuckte

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