Die Erben von Hammerfell - 5
Mädchen, das die hellen langen Haare zurückgebunden trug und ihn mit den blauen Augen so offen und ehrlich ansah, wie es in Thendara noch kein Mädchen getan hatte.
Er hatte Geschichten darüber gehört, wie frech sich die Mädchen aus den Bergen benahmen. Doch die blauen Augen wirkten unschuldig und aufrichtig. Sie streichelte den Hund zärtlich.
»Lady Lenisa…« begann er, aber in diesem Augenblick hörte er Hufschläge draußen auf der Straße, und dann wurde ein Pferd an der Querstange festgebunden. Juwel spitzte die Ohren, stieß das kurze, scharfe Bellen aus, das Wiedererkennen bedeutete, und sprang dem hochgewachsenen alten Mann entgegen, der gerade eintrat. Er sah sich im Schankraum um, entdeckte Alastair, runzelte leicht die Stirn über die Ansammlung von Schwertfrauen und gab Alastair ein Zeichen, zu bleiben, wo er war.
Die Anführerin der Schwertfrauen, die von Lenisa als »Dame Jarmilla« angeredet worden war, trat zu Lenisa und zupfte sie am Kragen. »Ihr steht sofort auf!« befahl sie mit strenger Stimme. »Was ist das für ein Benehmen, in Anwesenheit von Fremden auf dem Fußboden zu sitzen …«
»Oh, Juwel weiß nicht, was ein Fremder ist – nicht wahr, Mädchen?« Lenisa hatte die Hände noch, ausgestreckt, um den Hund von den Füßen des Neuankömmlings zurückzuhalten. Dame Jarmilla zog sie mit Gewalt in die Höhe und stieß sie durch die Tür hinaus. Lenisas Proteste, sie habe ihren Porridge noch nicht bekommen und sie wolle auf keinen Fall in der Sänfte weiterbefördert werden, beachtete sie nicht. Die alte Schwertfrau schob Lenisa in die Sänfte, zog mit einem Ruck die Vorhänge zu, und die Klagen des Mädchens verstummten abrupt.
Alastair sah Lenisa immer noch nach. Wie reizend sie war! Wie frisch und unschuldig! Der Mann, der gerade erst den Schankraum betreten hatte, beugte sich ebenso begeistert wie ungläubig über Juwel, die mit offensichtlicher Freude seine Füße beschnupperte und mit kurzen Kläfflauten um Aufmerksamkeit bat. Der Mann lächelte Alastair zu. »So ein Pech, daß dieses Storn-Mädchen sich ausgerechnet heute einfallen läßt, hier mit ihren Damen zu frühstücken.«
»Wessen Tochter ist sie?«
»Sie ist Lady Lenisa, Ruperts Tochter, die Großnichte des Alten, aber sie nennt ihn Großvater«, erklärte der Neuankömmling. »Der Hund erinnert sich an mich, aber du wohl nicht, Junge? Obwohl ich genau weiß, wer du bist. Es gibt nur einen einzigen Mann auf der Welt, dessen Gesicht mir so vertraut und doch so neu sein kann – mein Junge. Wir haben dich für tot gehalten.«
»Du mußt Markos sein«, erwiderte Alastair. »Mein Bruder schickt mich. Wir müssen miteinander reden.« Er merkte, daß Dorcas, die Frau hinter der Theke, sie anstarrte, und fügte hinzu: »Aber unter vier Augen. Wo?«
»In meinem Haus. Komm mit«, sagte Markos. Alastair hielt sich nur so lange auf, um Geld auf die Theke zu legen. Er band sein Pferd los und führte es die Dorfstraße entlang zu einem kleinen Haus fast am Ende.
»Binde das Pferd hinter dem Haus an«, sagte Markos. »Es ist Conns Stute, wie ich sehe. Das halbe Herzogtum würde sie erkennen, und dann hätte sich in wenigen Stunden die Neuigkeit verbreitet, daß ein Fremder angekommen ist. Das können wir nicht brauchen. Pech, daß das Storn-Mädchen dich gesehen hat, aber wie ich hörte, ist es ein verwöhntes, eigensinniges kleines Ding und interessiert sich für nichts außer für sich selbst.«
»Das möchte ich nicht sagen«, protestierte Alastair. »Ich fand…« Er verstummte. Er hatte Lenisa nur für ein paar Minuten gesehen und wußte nichts über sie. In jedem Fall war sie die Enkelin seines geschworenen Feindes und Teil der Blutrache, die seine Familie vernichtet hatte. Es stand ihm nicht zu, auf diese Weise über sie nachzudenken.
Markos ging ihm voraus ins Haus. Das Innere war bemerkenswert sauber, kahl bis auf eine Feuerstelle, über der ein paar Töpfe hingen, zwei primitive Stühle und über Schrägen gelegte Bretter, die als Tisch dienten. Das hintere Ende des Tisches war mit einem weißen Tuch bedeckt, und auf diesem Tuch standen zwei silberne Kelche mit dem Hammerfell-Wappen. Markos folgte Alastairs Blick und erklärte kurz: »Aye, ich fand sie ein paar Tage nach dem Brand in der Asche, behielt sie zum Andenken an meinen Lord und meine Lady… Meine Lady – dann muß sie ja auch noch am Leben sein! Ich traue meinen Augen kaum – Alastair, bist du es wirklich?«
Alastair löste die Verschnürung seines Hemdes, zog
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