Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
durch den Eindruck der Intelligenz und Integrität, der sanften Stärke und des Humors, den sie vermittelten. Percy fand sie gleich sympathisch und war stolz, dass sein Sohn eine so passende Frau gefunden hatte. »Tochter«, hatte er sie begrüßt und den Arm um sie und das Kind gelegt.
»Und, wie gefällt’s dir hier?«, fragte er sie später in Warwick Hall, das in neuem Glanz erstrahlte.
»Wer könnte das hier nicht grandios finden? Wyatt hat mir nichts davon erzählt.«
»Aber vermutlich von anderen Dingen.«
»Ja«, antwortete sie mit wissendem Blick.
Er hakte nicht nach, sondern genoss erst einmal ihre Freude über das Haus seiner Vorfahren. Wenn Wyatt in Korea wäre, bliebe noch genug Zeit, über diese »anderen Dinge« zu sprechen, vorausgesetzt, sie wollte das.
Percy hatte voller Entsetzen gehört, dass Wyatt in wenigen Wochen nach Korea verschifft und bereits am folgenden Nachmittag nach Camp Pendleton zurückkehren würde. »So bald schon?«, fragte Percy enttäuscht.
»Ich fürchte ja.«
Spät am Abend ging Percy, der zu aufgeregt war zum Schlafen und glaubte, alle anderen seien im Bett, hinunter in die Bibliothek, um sich einen Brandy einzuschenken. Dort sah er durch die offene Tür des alten Zimmers von Wyatt Licht und seinen Sohn, nach wie vor in Uniformhose, mit dem Rücken zu ihm, die Muskeln hart unter dem gestärkten Stoff seines Hemds. Worüber sinnierte er wohl, welche Stimmen der Vergangenheit hörte er in diesem Raum, in dem die Erinnerungsstücke seiner Jugend hingen? Ein Wimpel mit der Aufschrift HOWBUTKER HIGH SCHOOL 1939 STATE FOOTBALL CHAMPIONS zierte das Kopfende des Bettes. Percy räusperte sich. »Kein Mann sollte in zwei Kriege ziehen müssen.«
Wyatt drehte sich mit undurchdringlicher Miene zu ihm um. »Möglicherweise ist dieser ja bald vorbei.« Er ließ einen Finger über den Rücken seiner geliebten Ausgabe von Huckleberry Finn gleiten. »Diesmal werde ich Matthews Geburtstagsgeschenk mitnehmen. Vielleicht bringt es mir Glück.«
»Gute Idee. Das kann ein Soldat immer gebrauchen.«
Er hätte noch viel mehr sagen wollen, brachte aber kein Wort heraus. Wyatt brach das verlegene Schweigen: »Dad, bevor ich gehe, möchte ich dich um etwas bitten.«
»Alles, was du möchtest.«
»Falls ich … nicht zurückkomme, hätte ich gern, dass mein Sohn hier bei dir aufwächst. Claudia ist da ganz meiner Meinung. Sie mag dich. Das wusste ich von Anfang an. Und sie lässt sich Zeit mit ihrem Urteil über Menschen, das kannst du mir glauben.« Ein schmales Grinsen trat auf seine Lippen und ein stolzer Schimmer in seine Augen, der die harten Konturen seines Gesichts ein wenig weicher erscheinen ließ. »Sie werden dir nicht zur Last fallen, und mir wäre leichter ums Herz, wenn ich wüsste, dass sie bei dir gut aufgehoben sind, egal, was mit mir passiert.«
»Ich soll also helfen, Matt aufzuziehen, wenn …«, presste Percy hervor.
»Ja.«
Percy blickte in die klaren blauen Augen seines Sohnes, die alles und nichts sagten.
»Sie sind hier willkommen, solange sie selbst bleiben möchten«, erklärte Percy. »Ich fühle mich zutiefst geehrt durch deine Bitte.« Er schluckte. »Du musst wiederkommen, Wyatt. Du musst einfach.«
»Ich werde mein Bestes geben. Gute Nacht, Dad, und danke.« Wyatt ging, das Buch unter dem Arm, an Percy vorbei, nickte kurz und verließ das Zimmer.
SIEBENUNDVIERZIG
D ie Stunden vergingen wie im Flug. Sie schienen wieder am Bahnhof zu sein, bevor sie richtig angekommen waren, Claudia mit dem zwei Monate alten Matt in einer blauen Decke auf dem Arm, Wyatt in seiner makellosen Uniform mit den Auszeichnungen an der linken Seite der Brust. »Habt ihr alles?«, hatte Percy gefragt, bevor sie Warwick Hall verließen.
»Ja«, hatte Wyatt geantwortet. »Ich vergesse selten etwas.«
Stimmt , dachte Percy traurig. Nachdem Wyatt sich mit einem Kuss von seiner Frau und seinem Sohn verabschiedet und Percy die Hand gegeben hatte, richtete er seine letzten Worte vor Besteigen des Zugs an seinen Vater. »Sorg dafür, dass mein Sohn um meine Liebe zu ihm weiß, Dad.«
»Du wirst zurückkommen und sie ihm selbst zeigen, Sohn.«
In Warwick Hall setzte sich Claudia mit Matt in den Garten, um die frühsommerliche Sonne zu genießen, während Percy hinauf ins Gästezimmer ging, wo er keine Spur mehr von dem Mann entdecken konnte, der sich weniger als vierundzwanzig Stunden dort aufgehalten hatte. Offenbar befand der Huckleberry Finn sich in Wyatts Gepäck. Percy hatte
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