Die Erbin
Freitag betrunken. Außerdem habe ich schon eine Anklage wegen Trunkenheit am Steuer, und mein alter Herr bringt mich um, wenn ich noch eine bekomme.‹ Ich trat auf die Bremse und brachte das Auto am Straßenrand zum Stehen. Der Streifenwagen war direkt hinter uns. Ich packte Welch, der damals noch viel dünner war, und versuchte, ihn auf die Fahrerseite zu ziehen, was ihn richtig wütend machte. Er wehrte sich. Er hielt sich am Türgriff fest und stemmte die Füße gegen das Armaturenbrett, ich bekam ihn einfach nicht zu mir rüber. Inzwischen war ich auch wütend, daher verpasste ich ihm eine mit der Rückhand. Ich traf ihn mitten auf die Nase, was ihn so überraschte, dass er für eine Sekunde losließ. Dann packte ich ihn an den Haaren und zog ihn zu mir rüber, aber das Auto hatte die Gangschaltung in der Mittelkonsole, und da blieb er irgendwie stecken. Wir waren beide ineinander verheddert und stinksauer, wir fluchten und prügelten uns wie zwei Kater im Frühling. Irgendwann hatte ich ihn im Schwitzkasten, als plötzlich der Trooper zum Fenster reinsah und sagte: ›Entschul digung, Jungs.‹
Wir erstarrten. Auf dem Polizeirevier redete der Trooper mit uns und sagte, wir seien beide betrunken. Das war, bevor sie diese Alkoholtestgeräte hatten, damals, in der guten alten Zeit.« Er trank hastig von seinem Tee und machte sich dann über einen kleinen Berg frittierter Okras her.
»Und was ist dann passiert?«, erkundigte sich Jake.
»Ich wollte meinen Dad nicht anrufen, und Welch wollte seinen nicht anrufen. Ein Anwalt, der gerade einen Mandanten im Gefängnis besuchte, hörte von den beiden betrunkenen Jura studenten von der Ole Miss, die in einer Zelle saßen, versuchten, nüchtern zu werden, und ihre Vorlesungen versäumten. Er ging zum Richter, ließ ein paar Beziehungen spielen und sorgte dafür, dass man uns rausließ. Als wir zurückkamen, wartete der Dekan schon auf uns und drohte, uns entweder umzubringen oder uns die Anwaltslizenz zu entziehen, noch bevor wir sie überhaupt hatten. Nach einer Weile hatte sich alles wieder beruhigt. Der Dekan wusste, dass ich eine ungeheure Bereicherung für die Anwaltskammer sein würde und er mich auf keinen Fall abschreiben durfte.«
»Natürlich.«
»Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass Welch und ich uns schon ziemlich lange kennen. Eine Menge Leichen im Keller. Er wird Simeon vertreten, bis die Testamentsanfechtung vorbei ist, dann gibt er das Mandat ab. Der Kerl wird sowieso für Jahre hinter Gitter landen, daran wird sich nicht viel ändern lassen.«
»Wie groß ist der Schaden für unseren Fall?«
Lucien, der Pessimist, war fest davon überzeugt, dass der Schaden nicht wiedergutzumachen war, aber Jake war sich da nicht so sicher. Harry Rex wischte sich mit einer billigen Papierserviette übers Gesicht und sagte: »Du weißt, wie das mit Prozessen ist, Jake. Wenn sie erst einmal angefangen haben, sind der Richter, die Anwälte, die Zeugen und die Geschworenen alle im selben Raum eingesperrt, alle in unmittelbarer Nähe voneinander. Sie hören alles, sehen alles, spüren sogar alles. Sie neigen dazu zu vergessen, was außerhalb des Gerichtssaals ist, was letzte Woche, letzte Jahr passiert ist. Ich habe so eine Ahnung, dass sie nicht an Simeon Lang und die Roston-Jungen denken werden. Lettie hatte mit dieser Tragödie überhaupt nichts zu tun. Sie tut ihr Bestes, um Simeon loszuwerden, der das County für sehr lange Zeit verlassen wird.« Ein Schluck Tee, ein Bissen Mais brot. »Zurzeit sieht es so aus, als müssten wir uns Sorgen machen, aber in einem Monat oder so wird sich die Lage gebessert haben. Ich glaube, die Geschworenen werden so von Seth Hubbards Testament gefesselt sein, dass sie nicht viel Zeit damit verbringen werden, an einen Autounfall zu denken.«
»Ich glaube nicht, dass sie das so einfach vergessen werden. Wade Lanier wird sie mit Sicherheit daran erinnern.«
»Hast du immer noch vor, dich bei Atlee für eine Prozessverlegung einzusetzen?«
»Ja. Wir treffen uns am Freitag auf seiner Veranda, auf meine Bitte hin.«
»Das ist ein schlechtes Zeichen. Wenn er will, dass du rüberkommst, okay. Aber wenn du ihn bitten musst, wird es vermutlich nicht so gut laufen.«
»Ich weiß nicht. Ich habe ihn am Sonntag im Gottesdienst gesehen, und er hat gefragt, wie ich mit der Situation umgehe. Er schien wirklich besorgt zu sein und war nach der Predigt sogar bereit, über den Fall zu sprechen. Sehr ungewöhnlich.«
»Jake, ich will dir mal
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