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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Satz machen. Zuerst schwang Sylvester wild hin und her. Die beiden Männer am anderen Ende des Seils zogen, und er sauste noch einmal eineinhalb oder zwei Meter in die Höhe. Seine Füße befanden sich vielleicht drei Meter über dem Boden. Es dauerte nicht lange, bis er sich nicht mehr bewegte. Sie beobachteten ihn eine Weile, keiner wollte gehen. Dann banden sie das Seil fest und ließen ihn da hängen. Sie kehrten zur Siedlung zurück, die vielleicht zweihundert Meter von den Bäumen entfernt lag, manche gingen zu Fuß, andere fuhren in den Pick-ups.«
    »Wie viele waren es insgesamt?«
    »Ich war ja noch ein Kind, ich weiß es nicht genau. Wahrscheinlich zehn.«
    »Fahren Sie fort.«
    »Seth und ich schlichen in der Dunkelheit durch die Bäume und hörten, wie sie lachten und sich gegenseitig gratulierten. Dann schlug einer vor, das Haus niederzubrennen. Der Mob versammelte sich vor Sylvesters Haus. Esther stand auf den Stufen davor und hielt ein Kind im Arm.«
    »Ein Kind? Einen Jungen oder ein Mädchen?«
    »Ein Mädchen, kein Kleinkind. Ein kleines Mädchen.«
    »Kannten Sie dieses Kind?«
    »Nein, damals nicht. Seth und ich fanden erst später heraus, wer das war. Sylvester hatte nur ein Kind, dieses Mädchen, und ihr Name war Lois.«
    Lettie rang so laut nach Luft, dass die meisten Geschworenen aufschreckten. Quince Lundy reichte ihr ein Papiertaschentuch. Jake warf über die Schulter einen Blick auf Portia. Sie schüttelte den Kopf, schockiert wie alle anderen.
    »Haben sie das Haus niedergebrannt?«, fragte Lucien.
    »Nein, es passierte etwas Merkwürdiges. Cleon trat mit der Flinte vor und stellte sich zwischen die Männer und Esther und Lois. Er sagte, niemand werde das Haus niederbrennen, also stiegen die Män ner in ihre Pick-ups und fuhren davon. Seth und ich verzogen uns. Das Letzte, was ich sah, war Cleon, der auf der Treppe zu dem klei nen Haus mit Esther sprach. Wir sprangen auf unser Pony und galoppierten heim. Als wir durch das Fenster in unser Zimmer kletterten, erwartete uns unsere Mutter. Sie war wütend und wollte wissen, wo wir gewesen waren. Seth war der bessere Lügner und behauptete, wir hätten draußen Glühwürmchen gejagt. Sie schien uns zu glauben. Wir flehten sie an, Cleon nichts zu erzählen, und ich glaube, das hat sie auch nie getan. Wir lagen im Bett, als wir hörten, wie sein Pick-up heranrollte und hielt. Er kam ins Haus und ging zu Bett. Wir konnten nicht schlafen. Wir tuschelten die ganze Nacht. Ich musste im mer wieder weinen, und Seth sagte, das sei schon in Ordnung, solange mich keiner dabei sehe. Er schwor mir, niemandem zu erzählen, dass ich weinte. Dann erwischte ich ihn dabei, wie er selbst weinte. Es war heiß, und damals gab es noch keine Klimaanla gen. Lange vor Tagesanbruch kletterten wir wieder aus dem Fenster und setzten uns auf die Veranda hinter dem Haus, wo es kühler war. Wir sprachen davon, noch einmal nach Sycamore Row zu laufen und nach Sylvester zu sehen, aber das meinten wir nicht ernst. Wir überlegten, was mit seiner Leiche geschehen würde. Und wir waren davon überzeugt, dass der Sheriff kommen und Cleon und die an deren Männer verhaften würde. Der Sheriff würde Zeugen brauchen, deshalb durften wir kein Wort darüber verlieren, was wir gesehen hatten. Niemals. Wir schliefen in dieser Nacht nicht. Als wir unsere Mutter in der Küche hörten, schlichen wir uns wieder in unsere Bet ten, gerade noch rechtzeitig, bevor Cleon hereinkam und uns anbrüllte, wir sollten in den Stall und die Kühe melken. Das taten wir jeden Morgen in aller Frühe. Jeden Morgen. Es war ein hartes Leben. Ich hasste die Farm, und von diesem Tag an hasste ich meinen Vater, wie kein Kind jemals seinen Vater gehasst hat. Ich wollte, dass der Sheriff ihn holte und für immer fortbrachte.«
    Lucien, der für die Kamera nach wie vor nicht sichtbar war, schien selbst eine Pause zu brauchen. Es dauerte lange, bis er weitersprach. »Was ist mit den Rinds-Familien passiert?«
    Ancil senkte den Kopf und schüttelte ihn dramatisch. »Furchtbar, einfach nur furchtbar. Es wurde immer schlimmer. Ein oder zwei Tage danach ging Cleon zu Esther. Er gab ihr ein paar Dollar und ließ sie einen Vertrag über die dreißig Hektar unterschreiben. Er versprach ihr, sie könne dort bleiben, und das durfte sie auch – etwa achtundvierzig Stunden. Der Sheriff kam tatsächlich. Er, ein Deputy und Cleon fuhren zur Siedlung und teilten Esther und den anderen Rinds mit, sie müssten ihre Häuser

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