Die Erbin
Land, das jetzt den Hubbards gehört. Nach seinem Tod überschrieb Esther das Land Seth Hubbards Vater. Sylvesters Vater war ein Mann namens Solomon Rinds, der das Land schon vor ihm besessen hatte.«
»Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
»Mr. Lanier?«
Lanier ging ohne Notizen zum Sprecherpult. »Mrs. Lang, ha ben Sie je eine Geburtsurkunde besessen?«
»Nein.«
»Und Ihre Mutter ist verstorben, als Sie drei waren, richtig?«
»Das ist richtig.«
»Und als wir Ihre Zeugenaussage im Dezember, in der Woche vor Weihnachten, protokolliert haben, waren Sie sich Ihrer Abstammung nicht so sicher. Warum hat sich das geändert?«
»Ich habe Verwandte kennengelernt. Viele offene Fragen wur den geklärt.«
»Sie sind sich jetzt also sicher?«
»Ich weiß, wer ich bin, Mr. Lanier. Ganz sicher.«
Er setzte sich, und Richter Atlee wandte sich an den Saal. »Wir werden jetzt die Videoaufzeichnung der Aussage von Ancil Hubbard sehen. Bitte dimmen Sie das Licht. Schließen Sie die Türen bitte ab, damit niemand den Saal verlässt oder hereinkommt. Die Sache wird etwa eine Stunde dauern, und ich will keine Störung.«
Die Geschworenen, die sich am Vortag die ganze Zeit so unerträglich gelangweilt hatten, waren hellwach und brannten darauf zu erfahren, welch unerwartete Wendung das Verfahren genommen hatte. Viele Zuschauer suchten sich einen Platz ganz rechts im Saal, damit sie die Leinwand besser sehen konnten. Das Licht wurde gedämpft, jede Bewegung erstarrte, alles schien tief Luft zu holen. Und dann lief das Band. Nachdem sich Jared Wolkowicz und Lucien Wilbanks vorgestellt hatten, erschien Ancil.
»Hier ist meine Geschichte«, begann er . »Ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll. Ich lebe jetzt hier in Juneau, aber da bin ich eigent lich nicht zu Hause. Ich bin nirgends zu Hause. Die Welt ist mein Zuhause, und ich habe viel davon gesehen. Ich bin im Laufe der Jahre in furchtbare Schwierigkeiten geraten, aber ich habe auch viel Spaß gehabt. Sehr viel Spaß. Mit siebzehn bin ich zur Marine gegangen, habe mich älter gemacht, alles getan, nur um von zu Hause wegzukommen, und fünfzehn Jahre lang war ich überall auf der Welt stationiert. Ich habe im Pazifik auf der USS Iowa gekämpft. Nach meinem Ausscheiden aus der Marine habe ich in Japan, Sri Lanka, Trinidad gelebt, an so vielen Orten, dass ich mich im Augenblick gar nicht mehr an alle erinnern kann. Ich bin für Reedereien zur See gefahren. Wenn ich eine Pause brauchte, habe ich mich irgendwo niedergelassen, immer an einem anderen Ort.«
»Erzählen Sie uns von Seth«, sagte Lucien von außerhalb des Bildes.
»Seth war fünf Jahre älter als ich, andere Geschwister gab es nicht. Er war mein großer Bruder und hat sich um mich gekümmert, so gut es ging. Wir hatten ein hartes Leben, wegen unseres Vaters, Cleon Hubbard, eines Mannes, den wir vom Tag unserer Geburt an hassten. Er schlug uns, schlug unsere Mutter, schien immer mit irgendwem im Streit zu liegen. Wir lebten weit draußen auf dem Land in der Nähe von Palmyra auf der alten Farm unserer Familie in einem alten Haus, das mein Großvater gebaut hatte. Sein Name war Jonas Hubbard, und sein Vater hieß Robert Hall Hubbard. Die meisten anderen Verwandten waren nach Arkansas gezogen, daher hatten wir kaum Cousins oder Verwandte in der Nähe. Seth und ich schufteten auf der Farm wie die Tiere, molken die Kühe, jäteten auf den Baumwollfeldern Unkraut, arbeiteten im Garten, pflückten Baum wolle. Von uns wurde erwartet, dass wir so viel leisteten wie die Erwachsenen. Es war ein hartes Leben, die Depression und all das, aber wie man so sagt, merkten wir in den Südstaaten nicht viel von der Depression, weil wir schon seit dem Krieg in einer steckten.«
»Wie viel Lan d ?«, fragte Lucien.
»Wir besaßen dreißig Hektar, die seit langer Zeit in der Familie waren. Das meiste davon war Wald, aber es gab auch Anbauflächen, die mein Großvater gerodet hatte. Baumwolle und Bohnen.«
»Und der Familie Rinds gehörte das angrenzende Grundstüc k ?«
»Das ist richtig. Sylvester Rinds. Es gab auch noch andere Rinds. Tatsächlich spielten Seth und ich manchmal mit den Rinds-Kindern, aber nur wenn Cleon es nicht merkte. Cleon hasste Sylvester Rinds, alle Rinds. Es war eine Fehde, die schon lange brodelte. Wis sen Sie, Sylvester besaß ebenfalls dreißig Hektar, die im Westen direkt an unser Land angrenzten, und die Hubbards waren immer der Meinung, das wäre eigentlich ihr Grund und Boden. Cleon sagte, ein
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