Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
gewisser Jeremiah Rinds habe das Land im Jahr 1870 nach dem Ende des Bürgerkriegs erworben. Jeremiah war ein freigelassener Sklave, der es irgendwie geschafft hatte, das Grundstüc k zu kaufen. Ich war damals noch ein Kind und verstand nie wirklich, was passiert war, aber die Hubbards waren immer davon überzeugt, dass es eigent lich ihnen gehörte. Ich glaube, sie gingen deswegen sogar vor Gericht, aber es blieb in den Händen der Familie Rinds. Es trieb Cleon zur Weißglut, dass er nur dreißig Hektar besaß und diese Schwarzen genauso viel. Ich erinnere mich, dass es immer wieder hieß, die Rinds seien die einzigen Schwarzen im County, die eigenes Land hätten, und das hätten sie irgendwie den Hubbards abgenommen. Seth und ich wussten, dass wir die Rinds-Kinder eigentlich hassen sollten, aber meistens war niemand sonst zum Spielen da. Wir gingen heimlich mit ihnen angeln und schwimmen. Toby Rinds war in meinem Alter und mein Freund. Einmal erwischte Cleon mich und Seth beim Schwimmen mit den Rinds und verprügelte uns, bis wir nicht mehr laufen konnten. Cleon war ein gewalttätiger Mensch. Rachsüchtig, bösartig, hasserfüllt und unbeherrscht. Wir hatten panische Angst vor ihm.«
    Da er das Video nun schon zum dritten Mal an diesem Morgen sah, konzentrierte Jake sich nicht mehr so intensiv darauf. Stattdessen beobachtete er die Geschworenen. Sie wirkten wie er starrt, fasziniert, verschlangen ungläubig jedes Wort. Selbst Frank Doley, der Geschworene, der Jake die meisten Sorgen bereitete, hatte sich vorgebeugt und tippte sich vor lauter Konzentration mit dem Zeigefinger an die Lippen.
    »Was ist aus Sylvester geworden?«, fragte Lucien.
    »Ach ja, das wollten Sie ja hören. Die Fehde eskalierte, als in der Nähe der Grundstücksgrenze ein paar Bäume gefällt wurden. Cleon war davon überzeugt, dass es seine waren. Sylvester Rinds war sicher, dass sie ihm gehörten. Da die Grenze so lange umstritten gewesen war, meinte jeder genau zu wissen, wo sie verlief. Cleon platzte fast vor Wut. Ich erinnere mich, wie er schimpfte, er habe sich das viel zu lang gefallen lassen, es sei an der Zeit, was zu unternehmen. Eines Nachts tauchten ein paar Männer bei uns auf und tranken hinter der Scheune Whiskey. Seth und ich schlichen nach draußen, um sie zu belauschen. Sie planten irgendwas gegen die Rinds. Wir konnten nicht genau verstehen, was es war, aber es war offensichtlich, dass ein Komplott geschmiedet wurde. Dann fuhren wir an einem Samstagnachmittag in die Stadt. Es war heiß, ich glaube, es war August, im Jahr 1930, und am Samstagnachmittag trafen sich alle, Schwarze wie Weiße, in der Stadt. Jeder musste einkaufen und sich für die Woche mit Vorräten eindecken. Palmyra war damals nur ein Dorf, aber an den Samstagen füllte es sich, in den Geschäften und auf den Gehsteigen drängten sich die Menschen. Seth und ich bekamen nichts d avon mit, aber später am Abend hörten wir Kinder über einen Schwarzen reden, der einer Weißen gegenüber frech geworden sein sollte, was allgemeine Empörung auslöste. Dann hörten wir, der Schwarze sei Sylvester Rinds. Wir fuhren mit dem Pick-up nach Hause, wir auf der Ladefläche, meine Eltern vorne, und wussten, dass etwas passieren würde. Wir spürten es einfach. Als wir nach Hause kamen, schickte Cleon uns auf unser Zimmer und sagte, wir dürften erst wieder herauskommen, wenn er es uns sagte. Dann hörten wir ihn heftig mit meiner Mutter streiten. Ich glaube, er schlug sie. Wir hörten ihn mit dem Pick-up wegfahren. Wir hatten uns schlafend gestellt, aber wir waren im Nu draußen. Wir sahen die Rücklichter des Wagens nach Westen verschwinden, in Richtung Sycamore Row.«
    »Wo ist Sycamore Row?«
    »Den Ort gibt es nicht mehr, aber im Jahr 1930 war es eine kleine Siedlung auf dem Land der Rinds, in der Nähe eines Baches. Nur ein paar verstreute alte Häuschen, Überbleibsel aus der Sklavenzeit. Dort wohnte Sylvester Rinds. Auf jeden Fall zäumten Seth und ich Daisy, unser Pony, und ritten ohne Sattel los. Seth hielt die Zügel, und ich klammerte mich mit aller Kraft fest, aber wir ritten immer ohne Sattel und wussten, was wir taten. Als wir näher an Sycamore Row waren, sahen wir die Scheinwerfer von mehreren Pick-ups. Wir stiegen ab und führten Daisy durch den Wald, dann banden wir sie an einen Baum und ließen sie stehen. Wir gingen weiter, immer näher heran, bis wir Stimmen hörten. Wir standen an einem Hang, und unter uns konnten wir drei oder vier Weiße sehen, die

Weitere Kostenlose Bücher