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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Vermieter. Lucien saß in dem Konferenzraum im Erdgeschoss, wo die Nachschlagewerke standen. Er hatte ein gutes Dutzend davon gleichmäßig über den ganzen Tisch verteilt und schien in Ge danken versunken zu sein. Als Jake beim Eintreten die aufge schlagenen Bücher sah, musste er tief durchatmen. Eine dunkle Vorahnung ergriff ihn. Er konnte sich nicht erinnern, wann er Lucien zum letzten Mal beim Wälzen von Fachliteratur gesehen hatte. Ihm war kurz nach Jakes Einstieg in die Kanzlei die Anwaltslizenz entzogen worden. Seither hatte er sich von Büro und Justiz ferngehalten. Jetzt war er zurück.
    »Ein bisschen leichte Lektüre zur Entspannung?«, fragte Jake und ließ sich in einen Ledersessel sinken.
    »Ich frische nur mein Wissen über das Erbrecht ein wenig auf. Hatte nie viel damit zu tun. Es ist ja ziemlich öde, wenn man nicht gerade so einen Fall hat. Ich kann mich nicht entscheiden, ob Sie Geschworene dazunehmen sollen oder nicht.«
    »Ich tendiere zu einer Jury, aber im Moment ist das alles noch nicht spruchreif.«
    »Natürlich.« Lucien schlug ein Buch zu und schob es weg. »Sie sagten, Sie wollten sich heute Nachmittag mit Lettie Lang treffen. Wie war es?«
    »Gut, Lucien, aber Sie wissen genau wie ich, dass solche Gespräche vertraulich sind.«
    »Na klar. Mögen Sie sie?«
    Jake hielt einen Moment lang inne und ermahnte sich, nicht die Geduld zu verlieren. »Ja, sie ist nett, aber sie ist überfordert. Das Ganze ist nicht leicht zu bewältigen.«
    »Würden Geschworene sie auch mögen?«
    »Sie meinen weiße Geschworene?«
    »Ich weiß nicht. Ich verstehe die Schwarzen wesentlich besser als die meisten Weißen. Jake, ich bin kein Rassist. In diesem County bin ich einer von etwa einem Dutzend Weißen, die nicht blind sind gegenüber Rassismus. Ich war das erste und bislang einzige weiße Mitglied in der schwarzen Bürgerrechts organisation von Clanton. Eine Zeit lang waren alle meine Mandanten schwarz. Ich kenne die Schwarzen, Jake, es könnte problematisch sein, Schwarze unter den Geschworenen zu haben.«
    »Lucien, die Beerdigung war erst gestern. Ist das nicht alles ein bisschen verfrüht?«
    »Kann schon sein, aber man wird früher oder später sowieso darüber nachdenken müssen. Sie können froh sein, dass Sie mich an Ihrer Seite haben, Jake. Tun Sie mir den Gefallen, und lassen Sie mich mitmachen. Viele Schwarze werden neidisch auf Lettie Lang sein, weil sie eine von ihnen ist. Aber wenn sie das Erbe antritt, wird sie der reichste Mensch in ganz Ford County sein. Es gibt sonst keine reichen Schwarzen hier. So was hat es noch nie gegeben. Sie wäre nicht mehr schwarz. Sie wäre was Besseres und würde auf alle anderen herabschauen, vor allem auf ihre schwarzen Brüder und Schwestern. Können Sie mir folgen, Jake?«
    »Bis zu einem gewissen Grad schon, aber mir sind Schwarze in der Jury lieber als ein Haufen Hinterwäldler, die kaum in der Lage sind, die Kreditraten für ihr Haus abzustottern.«
    »Hinterwäldler dürfen auch nicht rein.«
    Jake sagte lachend: »Okay, zwei große Bevölkerungsgruppen haben wir damit schon einmal ausgeschlossen. Wie soll Ihrer Meinung nach die perfekte Jury aussehen?«
    »Daran arbeite ich noch. Der Fall gefällt mir, Jake. Ich habe seit dem Mittagessen über nichts anderes nachgedacht. Er erinnert mich an die Zeit, als ich die Juristerei noch mochte.« Er stützte sich auf die Ellbogen und sah Jake an, als drohten ihn die Gefühle zu überwältigen. »Ich will im Gerichtssaal mit dabei sein, Jake.«
    »Sie sind ein bisschen voreilig, Lucien. Ein Prozess, falls über haupt einer stattfindet, ist noch Monate entfernt.«
    »Klar, das weiß ich. Aber Sie brauchen Hilfe, und zwar jede Menge. Es wird langweilig, Jake, auf der Veranda zu sitzen und sich zu betrinken, und ich muss mit dem Alkohol aufpassen. Das macht mir wirklich Sorgen, Jake. Ernsthaft.«
    Aus gutem Grund.
    »Ich würde gern mehr Zeit hier verbringen. Aber ich werde nicht stören. Die meisten Leute meiden mich, das weiß ich, und mir ist auch klar, warum. Verdammt, ich würde mir selbst aus dem Weg gehen, wenn ich könnte. Ich hätte etwas Sinnvolles zu tun, es würde mich vom Trinken abhalten, zumindest tagsüber, und ich kenne mich mit Gesetzen sowieso viel besser aus als Sie. Außerdem will ich im Gerichtssaal mit dabei sein.«
    Das sagte er jetzt schon zum zweiten Mal, und Jake wusste, dass er sich nicht davon abbringen lassen würde. Der Gerichtssaal war ein großer, eindrucksvoller Raum mit

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