Die Erbin
kaltließ. Er liebte die Frauen und lebte mit der Illusion, dass er auf sie wirkte.
»Er ist beschäftigt«, sagte sie.
»Genau wie ich.« Er schlug eine Zeitschrift auf und begann leise zu pfeifen.
Zehn Minuten später sagte Roxy: »Sie können jetzt hineingehen.«
Jake und Dumas kannten sich seit Jahren und hatten nie ein Problem miteinander gehabt. Jake war einer der wenigen Anwälte am Platz, der ihm bislang nicht mit einer Klage gedroht hatte. Das rechnete Dumas ihm hoch an.
»Erzählen Sie mir von Seth Hubbard«, sagte er, zog einen Block hervor und griff nach einem Kugelschreiber.
»Ich nehme an, Sie haben das Testament gesehen«, erwiderte Jake.
»Ich habe eine Kopie. Die sind ja jetzt allgegenwärtig. Wie viel ist er wert?«
»Nichts. Er ist tot.«
»Haha. Sein Nachlass.«
»Ich kann dazu noch nichts sagen, Dumas. Außerdem weiß ich ohnehin nicht viel.«
»Okay, dann inoffiziell.« Bei Dumas war nie etwas inoffiziell, und jeder Anwalt, Richter und Gerichtsangestellte wusste das.
»Nicht inoffiziell, nicht offiziell. Ich sage einfach gar nichts, Dumas. Vielleicht später.«
»Wann werden Sie vor Gericht gehen?«
»Die Beerdigung war gestern. Es gibt keinen Grund zur Eile.«
»Ach nein? Kein Grund zur Eile? Warum haben Sie dann Ihren Antrag zwanzig Minuten nach Ende der Beerdigung einge reicht?«
Volltreffer. Jake schwieg. Gute Frage. »Okay, vielleicht hatte ich einen Grund, mich zu beeilen.«
»Der alte Wettlauf zum Gericht, was?«, sagte Dumas feixend und kritzelte etwas auf seinen Block.
»Kein Kommentar.«
»Ich kann Lettie Lang nicht finden. Irgendeine Ahnung, wo sie steckt?«
»Nein. Aber sie wird ohnehin nicht mit Reportern reden, auch nicht mit Ihnen.«
»Das werden wir sehen. Ich habe einen Typ in Atlanta aufgetrieben, der schreibt für ein Wirtschaftsmagazin. Er meinte, eine LBO-Gruppe habe letztes Jahr die Holding von Mr. Seth Hubbard für fünfundfünfzig Millionen Dollar gekauft. Klingelt da was?«
»Kein Kommentar«, sagte Jake, im Stillen beeindruckt von Dumas’ ungewöhnlichem Rechercheeifer.
»Ich habe von Betriebswirtschaft nicht viel Ahnung, aber man kann sich denken, dass der gute Mann Schulden hatte, oder? Kein Kommentar?« Jake nickte. Korrekt, kein Kommentar. »Aber ich finde nicht heraus, bei welcher Bank er war. Je mehr ich stochere, desto weniger erfahre ich über Ihren Mandanten.«
»Ich bin dem Mann nie begegnet«, sagte Jake und bereute es sofort.
Dumas kritzelte wieder. »Wissen Sie, ob er Schulden hatte? Mr. Amburgh hat bei der Frage sofort zugemacht und aufgelegt.«
»Kein Kommentar.«
»Wenn ich also schreiben würde, dass Mr. Hubbard seine Firma für fünfundfünfzig Millionen verkauft hat, ohne etwas von Schulden zu erwähnen, weil ich keine Angaben dazu habe, dann würden doch meine Leser den Eindruck bekommen, dass sein Vermögen wesentlich größer ist, als es in Wirklichkeit ist, richtig?«
Jake nickte. Dumas betrachtete ihn abwartend und kritzelte wieder auf seinen Block. Dann änderte er die Strategie. »Die große Frage ist also: Warum sollte ein Multimillionär am Tag vor seinem Selbstmord ein neues Testament schreiben, in dem er seine Familie enterbt und alles seiner Haushälterin hinterlässt?«
Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, Dumas. Genau das ist die große Frage. Jake nickte weiter, sagte aber nichts.
»Die zweite große Frage dürfte lauten: Was haben Seth und sein kleiner Bruder erlebt, dass Seth noch Jahrzehnte später davon schreibt? Stimmt’s?«
»Das ist tatsächlich eine große Frage«, erwiderte Jake, »aber ich bin nicht sicher, ob sie schon an zweiter Stelle steht.«
»Okay. Irgendeine Idee, wo sich Ancil Hubbard heute aufhält?«
»Nicht im Mindesten.«
»Ich habe einen Cousin in Tupelo aufgetrieben, der gesagt hat, dass die Familie Ancil seit Jahrzehnten für tot hält.«
»Ich hatte noch keine Zeit, Ancil zu suchen.«
»Aber Sie werden nach ihm suchen?«
»Ja, er ist im Testament begünstigt. Es ist meine Aufgabe, ihn zu finden oder zumindest herauszubekommen, was aus ihm geworden ist.«
»Und wie werden Sie vorgehen?«
»Keine Ahnung. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.«
»Wann ist der erste Gerichtstermin?«
»Ist noch nicht festgelegt.«
»Werden Sie Ihrer Sekretärin sagen, dass sie mich anrufen soll, sobald der Termin feststeht?«
»Ja. Es sei denn, es ist eine nicht öffentliche Anhörung.«
»Damit kann ich leben.«
Jakes letzter Besucher an diesem Nachmittag war sein
Weitere Kostenlose Bücher