Die Erbin
bellte Richter Atlee. Willkommen in Ford County. »Ihre anderen Mandanten interessieren mich nicht.«
Auch Wade Laniers Anwesenheit gab Anlass zur Besorgnis. Jake kannte ihn nur vom Hörensagen, aber das genügte schon, um ihn zu fürchten. Er war für seine knallharten Methoden bekannt, und seine Erfolge vor Gericht reichten aus, um ihn arrogant zu machen, jedoch nicht, um seine Gier zu stillen.
Richter Atlee streckte wieder den Finger aus. »Und Sie, Sir?«
Ein Mann in einem geschmacklosen Jackett sprang auf und verkündete: »Also, Euer Ehren, mein Name ist D. Jack O’Malley, und ich vertrete Herschel Hubbard, den Sohn des Verstorbenen. Mein Mandant lebt in Memphis, und da komme ich auch her. Aber wenn ich das nächste Mal hier bin, werde ich gewiss einen Korrespondenzanwalt dabeihaben.«
»Gute Idee. Der Nächste?«
Hinter O’Malley saß eng eingequetscht ein dünner junger Mann mit Rattengesicht und wilden, drahtigen Haaren. Er stand schüchtern auf, als hätte er noch nie vor einem Richter gesprochen. »Sir, ich bin Zack Zeitler, auch aus Memphis, und ich bin hier, um die Interessen der Kinder von Herschel Hubbard zu vertreten.«
Richter Atlee nickte. »So, so, die Enkel haben auch einen Anwalt?«
»Ja.«
»Danke, Mr. Zeitler, und falls Sie sich nicht schon darum gekümmert haben – bringen Sie das nächste Mal einen Anwalt von hier mit. Wir brauchen weiß Gott noch ein paar mehr. Es sei denn natürlich, Sie haben eine Zulassung für diesen Staat.«
»Die habe ich, Euer Ehren.«
»Sehr schön. Der Nächste.«
An einem Geländer in einer Ecke lehnend, stand ein Mann, der sich erst umsah, bevor er sprach. »Ja, Euer Ehren, ich bin Joe Bradley Hunt von der Kanzlei Skole in Jackson und …«
»Wie heißt die Kanzlei?«
»Skole, Euer Ehren. Skole, Rumky, Ratliff, Bodini und Zacharias.«
»Entschuldigung, dass ich gefragt habe. Fahren Sie fort.«
»Wir vertreten die Interessen der beiden minderjährigen Kin der von Ramona und Ian Dafoe, der Enkel des Verstorbenen.«
»Gut. Sonst noch jemand?«
Alle sahen sich mit gereckten Hälsen um. Richter Atlee zählte kurz. »Aha. Bislang zähle ich elf Anwälte, aber es spricht ja nichts dagegen, dass noch mehr auftauchen.« Er schob ein paar Blätter Papier herum und blickte über die Zuschauer im Saal. Zu seiner Linken, hinter Jake und Lettie, saß eine ganze Gruppe Schwarzer, darunter Simeon, die Kinder und Enkel, ein paar Cousinen und Tanten, Cypress, ein Priester und jede Menge alte und neue Freunde, die gekommen waren, um Lettie im Kampf um ihr rechtmäßiges Erbe moralisch zu unterstützen. Rechter Hand, auf der anderen Seite des Mittelgangs, hinter der Schar von Anwälten, die das letzte Testament anfechten wollten, hatte sich eine Menge von Weißen versammelt, darunter Ramona und Ian mit ihren beiden Kindern, Herschel mit seinen zwei Töchtern, seine Exfrau, die allerdings so weit wie möglich entfernt in der letzten Reihe saß, Dumas Lee und ein zweiter Reporter, außerdem der übliche Kreis von Stammgästen, die kaum einen Prozess oder eine Anhörung versäumten. Am Eingang stand Marshall Prather, den Ozzie als Beobachter geschickt hatte, damit er ihm anschließend berichten konnte. Lucien Wilbanks saß auf der Seite der Schwarzen ganz hinten, teilweise verdeckt von einem muskulösen jungen Mann in der Reihe vor ihm. Atlee und er kannten sich seit vielen Jahren, und Lucien wollte den Richter mit seiner Anwesenheit nicht ablenken.
Kurz vor Beginn hatte Jake versucht, sich höflich bei Herschel und Ramona vorzustellen, doch sie hatten sich brüsk abgewandt. Er war jetzt der Feind, anstelle ihres Vaters. Vor allem Ian hatte ihn angesehen, als wollte er ihm am liebsten die Faust ins Gesicht jagen. Die halbwüchsigen Kinder der beiden in ihren Designerklamotten verhielten sich genauso arrogant, wie man es von reichen Erben erwartete. Herschels Töchter dagegen waren ungepflegt und trotzig. Erst vor wenigen Tagen waren alle noch zu beschäftigt gewesen, um zur Beerdigung ihres Groß vaters zu kommen. Heute waren sie da. Offenbar hatten sich ihre Prioritäten drastisch verschoben.
Jake nahm an, dass die Anwälte die Familien gedrängt hatten, die Kinder mitzubringen – um Präsenz zu zeigen und zu demonstrieren, dass die Entscheidungen des Gerichts auch für sie Folgen haben würden. Reine Zeitverschwendung, wie er fand, andererseits stand viel auf dem Spiel.
Jake fühlte sich alleingelassen. Russell Amburgh neben ihm war alles andere als eine
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