Die Erbin
Jahres, wird aber in dem handschriftlichen Dokument ausdrücklich widerrufen. Weiß irgendjemand von einem weiteren Testament? Hat uns Mr. Hubbard vielleicht noch eine Überraschung hinterlassen?« Er hielt eine Sekunde lang inne, in der er seine großen braunen Augen über den Saal wandern ließ. Eine billige, dickrandige Lesebrille klemmte auf seiner Nasenspitze. »Gut. Hätte ich auch nicht erwartet.«
Er raschelte mit Papier und machte sich eine Notiz. »Fein, dann fangen wir hier drüben an. Bitte stehen Sie auf, und nennen Sie Ihren Namen.« Der Richter deutete auf Jake, also erhob er sich und stellte sich vor. Als Nächster war Russell Amburgh dran.
»Sie sind der Testamentsvollstrecker aus dem handschriftlichen Testament?«, fragte Richter Atlee der Form halber.
»Ja, Sir, aber ich würde das lieber alles abgeben«, sagte Amburgh.
»Dafür werden wir später noch genug Zeit haben. Und Sie, in dem hellgrauen Anzug?«
Der größere der beiden schwarzen Anwälte stand auf und schloss den obersten Knopf seines maßgeschneiderten Anzugs. »Euer Ehren, mein Name ist Booker Sistrunk«, begann er selbstbewusst. »Zusammen mit meinem Partner hier, Mr. Kendrick Bost, vertrete ich die Interessen von Mrs. Lettie Lang.« Sistrunk berührte ihre Schulter. Bost stand ebenfalls auf. Lettie wirkte klein zwischen den zwei Riesen. Eigentlich durfte sie gar nicht an dieser Stelle sitzen, nicht in dieser Phase. Sie gehörte hinter die Schranke in den Zuschauerraum. Doch Sistrunk und Bost hatten sie gleich in Stellung gebracht und damit alle anderen provoziert. Wäre es eine Verhandlung gewesen, hätte Richter Atlee sie sofort auf ihre Plätze verwiesen, doch er war klug genug, die Verfehlung zu übergehen.
»Ich glaube, ich hatte noch nicht die Ehre, Sie vor meiner Richterbank zu sehen, meine Herren«, sagte Atlee mit Argwohn in der Stimme. »Woher kommen Sie?«
»Unsere Kanzlei hat ihren Sitz in Memphis«, erklärte Sistrunk, obwohl das jeder wusste. In den Zeitungen der Stadt waren sie zurzeit stärker vertreten als die fünf nächstgrößten Kanz leien zusammen. Sie führten Krieg mit dem Memphis Police Department und schienen einen Fall von Polizeigewalt nach dem anderen zu gewinnen. Sistrunk pflegte seinen Ruf, laut, unverfroren und umstritten zu sein, und hatte sich in einer Stadt, die schon viele Rassenhetzer hervorgebracht hatte, als einer der wirksamsten erwiesen.
Jake wusste, dass Simeon Verwandtschaft in Memphis hatte. Da hatte wohl eines zum anderen geführt, bis Jake schließlich den alarmierenden Anruf von Booker Sistrunk bekam, in dem dieser ihm erklärte, sie würden in den Fall »einsteigen«. Für Jake bedeutete das, dass er mit seiner Arbeit stärker unter Beobachtung stand und noch mehr Einmischung erdulden musste. Es gab bereits beunruhigende Schilderungen über Letties vollgeparkten Vorgarten und ungebetene Besucher, die vor ihrer Tür herumlungerten.
Richter Atlee fuhr fort. »Dann haben Sie sicher eine Lizenz, um in diesem Staat zu praktizieren.«
»Nein, Sir, noch nicht. Aber wir werden einen ortsansässigen Korrespondenzanwalt suchen.«
»Das wäre ein kluger Schritt, Mr. Sistrunk. Wenn Sie das nächste Mal hier erscheinen, erwarte ich, dass Sie wissen, mit wem Sie zusammenarbeiten werden.«
»Ja, Sir«, sagte Sistrunk steif und mit höhnischem Unterton. Bost und er quetschten sich wieder neben ihre kostbare Mandantin. Vor der Anhörung hatte Jake versucht, Lettie zu begrü ßen, aber die Anwälte hatten sie abgeschirmt. Sie hatte ihn nicht einmal angesehen.
»Nun zu Ihnen«, sagte Richter Atlee und deutete auf den überfüllten Verteidigertisch.
Stillman Rush stand sofort auf. »Euer Ehren, ich bin Stillman Rush von der Kanzlei Rush in Tupelo. Ich bin mit Sam Larkin und Lewis McGwyre hier.« Auf Stichwort erhoben sich beide Männer und nickten dem Richter höflich zu. Man kannte sich, es war also nicht nötig, sich ausführlicher vorzustellen.
»Ihre Kanzlei hat das Testament von 1987 aufgesetzt, richtig?«
»Das stimmt«, sagte Stillman mit selbstgefälligem Lächeln.
»Sehr schön. Der Nächste.«
Ein großer Mann mit rundem Kahlkopf stand auf. »Euer Ehren«, begann er mit knarrender Stimme, »ich bin Wade Lanier von der Kanzlei Lanier in Jackson. Ich bin mit meinem Mitarbeiter Lester Chilcott gekommen, wir vertreten die Interessen von Mrs. Ramona Dafoe, der Tochter des Verstorbenen. Ihr Mann, Ian Dafoe, ist ein langjähriger Mandant von uns und …«
»Das reicht, Mr. Lanier«,
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