Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
und sie durch die dunklen Gänge ihres Traums verfolgte. Sie floh, aber der Schrei ließ sie nicht los. Er war so unaufhaltsam wie das Rad des Schicksals, so unvermeidlich wie der Untergang.
32 Durchquerung der Hügel
Kalan öffnete die Augen und bemerkte, dass die Nacht bereits zu grauen Schatten geworden und das Feuer ausgegangen war.
» Es dämmert erst « , dachte er, als er sich aufsetzte. » Aber wir müssen aufbrechen. Wir müssen unseren Vorsprung vor dem Nachtmahr halten. « Die Luft war so kalt, dass seine Zähne klapperten. Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und spürte das Ziehen seiner Wunde. Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass Malians Decke leer war. Nur Zweige und feuchtes Laub lagen darauf. Kalan hob verwirrt die Augenbrauen und gähnte.
» Sie hätte mich wecken sollen « , dachte er. » Sie hätte nicht allein nach draußen gehen sollen, ohne sich vorher zu vergewissern, dass mein Schild noch hält. «
Die beiden schwarzen Pferde sahen ihn erwartungsvoll an, ihr Atem bildete einen Nebel vor ihren Nüstern. Steif kam Kalan auf die Beine. » Brr « , sagte er, als sein eigener Atem zu einer Wolke wurde. » Da oben muss es wirklich kalt sein. «
Sein Magen knurrte, und die Pferde schnaubten, als wollten sie ihn daran erinnern, dass auch sie gefüttert werden mussten. Kalan hoffte, dass der Schnee nicht das Gras bedeckt hatte. Sie hatten nur noch wenig zu essen, für die Pferde und für sich selbst. » Und wir wissen nicht, wie weit es bis zur Grenzmarkierung ist. Ich komme bald wieder zurück « , sagte er zu den schwarzen Pferden. » Aber erst einmal muss ich mich draußen umsehen. «
Kalan begann zu zittern, als die Luft im Tunnel kälter wurde. Er fand Malian kurz hinter dem Eingang. Sie saß auf einem großen, herabgefallenen Stein und betrachtete den leichten Schneefall, der aus einem ausgewaschenen Himmel fiel. Der Wind hatte sich in der Nacht gelegt, und es gab keinen Hinweis auf den Nachtmahr oder die Jagd. Sogar von dem Felsbild auf dem Torbogen waren nur noch die schwachen Umrisse von Hunden und einem Falken zu sehen. Malian lächelte, als er sich neben sie setzte, aber auf Kalan wirkte sie müde. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen.
» Was macht die Wunde? « , fragte sie.
» Sie heilt « , antwortete er. » Sie tut noch weh, und es fällt mir schwer, den Arm zu bewegen, aber wenigstens fühlt sie sich nicht infiziert an. «
» Du siehst auch besser aus als gestern Nacht. Aber wir sollten uns die Wunde noch einmal ansehen, bevor wir aufbrechen. « Malian flocht ihr Haar, während sie sprach. Sie roch nach Rauch und Schweiß. Kalan betrachtete seine schmutzigen Hände. Wahrscheinlich roch er nicht besser. Doch Malian schien das nicht zu stören. Sie betrachtete die weißgraue Welt mit Ehrfurcht in den Augen. » Wie schön es hier ist « , sagte sie leise. » Trotz allem. «
» Ja « , stimmte Kalan zu. Ihre Atemwolken vermischten sich in der ruhigen Luft.
» Ich fühle mich hier lebendig « , überlegte er. » Man kann atmen, und es gibt keine Mauern, nur die Hügel und den leeren Himmel. « » Fast leeren Himmel « , fügte er hinzu, als sein Blick den schwarzen Fleck des Falken entdeckte, der über ihnen kreiste. Malian folgte seinem Blick und hob die Augenbrauen. » Der Schatten des Falken « , murmelte sie, ohne sich von dem blassen Himmel abzuwenden.
Kalan verzog die Mundwinkel. » Das muss eine Art Spion sein « , sagte er und stand auf. » Lass uns aufbrechen. «
» Aber zuerst essen wir etwas und sehen uns deine Wunde an. « Malian steckte sich eine Spange ins Haar. » Pass du auf, während ich die Pferde hole. «
Sie drehte sich um, dann wandte sie sich ihm noch einmal zu. » Wir sollten unsere Rationen kürzen « , sagte sie langsam, » damit sie länger halten. «
Kalan nickte. Er lauschte ihren leiser werdenden, knirschenden Schritten, dann betrachtete er die schneebedeckten Hügel, bis sie mit den Pferden zurückkam. Sie sahen sich seine Wunde an; sie war sauber. Danach aßen sie schweigend ihr karges Frühstück und sahen den Pferden zu, die an dem harten Gras zogen. Kalan runzelte die Stirn, als sie ihre Ausrüstung zusammenpackten. » Den hattest du aber gestern noch nicht « , sagte er mit einem Blick auf den altmodischen und verbeulten Helm, den Malian gerade an ihrem Sattel befestigte.
» Nein. « Malian zögerte, als denke sie darüber nach, was sie antworten solle, dann hob sie die Schultern. » Ich hatte gestern Nacht einen sehr seltsamen
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