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Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
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flammenden Rändern, doch der Vordergrund wurde von einer Kreatur beherrscht, die so ausladend war wie der Wandbehang breit. Ihr flacher, schlangengleicher Kopf ragte höchst bedrohlich aus der sie umgebenden Finsternis heraus. Ihr Körper bedeutete Verderben. Die Gestalt der Heldin wirkte in ihrem Schatten wie ein Zwerg; sie schien unterlegen und einsam.
    Das Mädchen berührte die beschädigte Gestalt mit seinen Fingerspitzen. Das Gewebe zerfiel noch mehr, sodass es schnell die Hand zurückzog. » Die Heldin Yorindesarinen « , flüsterte es, » und der Chaoswurm. Das hätte niemals hier zurückgelassen werden dürfen, damit es zerfällt. « Es summte eine Melodie, die zunächst kämpferisch klang und dann in tiefer Traurigkeit versank. Dabei glitt es nach vorne und erhob ein imaginäres Schwert gegen einen unsichtbaren Gegner. Seine Augen waren halb geschlossen. In seiner Vorstellung verwandelte es sich in die Heldin und beobachtete, wie das legendäre Frostfeuer an ihrer Klinge erstrahlte.
    In der Ferne knallte eine weitere Türe und eine Stimme rief. Sie hallte durch die stillen Flure und die staubige Halle. » Malian! Mal – liiii – aaan, mein Püppchen! « Die alte Burg fing die Stimme auf und warf sie in dunkle Ecken. Von den Steinen und Fensterläden hallte das Echo wider, während der Wind flüsterte. » Wo bist duu – huuu? Benimmt sich so die Lady der Nacht? Kind, du bist eine Ausgeburt der Boshaftigkeit! «
    Die Tür schlug wieder zu und schnitt die Stimme ab, doch der Schaden war angerichtet. Die helle Gestalt von Yorindesarinen verblasste zu einer Erinnerung, und Malian war nicht länger die Heldin der Lieder und Erzählungen, sondern nur ein halbwüchsiges Mädchen in schmutziger Kleidung. Sie runzelte die Stirn und strich mit ihren Händen über ihren dunklen Zopf. » Die Heldin Yorindesarinen « , so dachte sie, » hatte sich bestimmt nicht mit Kindermädchen herumschlagen müssen, als sie noch ein Kind war; sie war sicher damit beschäftigt gewesen zu lernen, wie man ein Held wird und Drachen tötet. «
    Malian summte noch einmal einen Teil der Melodie und seufzte. Sie kehrte zu dem Steinbalkon zurück … und erstarrte, weil sie glaubte, eine Bewegung in der Halle zwei Stockwerke unter ihr zu erkennen. Sie ging in die Hocke und spähte zwischen den Geländerpfosten aus Stein hindurch. Dann lächelte sie und stand auf, denn den Schritten folgte ein zartes, melodisches Klingeln. Eine schlanke goldene Gestalt starrte im düsteren Zwielicht zu ihr hoch und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Wallende Ärmel warfen beidseits des Mannes unwirkliche Schatten. Die winzigen goldenen Glöckchen an seiner Kleidung verstummten nacheinander.
    » Und wie genau « , setzte Haimyr, der goldene Barde, an – er war der einzige heitere und exotische Akzent im düsteren Schloss ihres Vaters – » gedenkst du von dort wieder hinunterzugelangen? Wenn ich dich nur anschaue, gefriert mir das Blut in den Adern! «
    Malian lachte. » Nichts leichter als das « , sagte sie, » vor allem, wenn man von Asantir ausgebildet wurde. « Sie glitt über die Balustrade und machte sich an den Abstieg. Dabei benutzte sie dieselben Finger- und Zehenstützen, bis sie wieder an dem Gargoyle baumelte und hinunter zu dem Gesicht des Barden grinste, das zu ihr hinaufstarrte. Dann schwang sie vor und zurück, um Schwung zu holen. Schließlich machte sie einen bogenförmigen Sprung und landete geschickt auf den Stufen unter ihr. Der Treppenaufgang schwankte ein wenig, hielt aber stand. Leichtfüßig lief sie hinunter, machte einen Salto über die zweite Galerie, krabbelte dann zwischen den hölzernen Trägern hindurch und glitt an der letzten Säule hinab. Der Barde breitete seine Arme mit den goldenen Ärmeln aus, die sich wellenartig fast bis zum Boden ergossen. Die letzten Meter überbrückte sie mit Sprüngen und warf sich direkt hinein. Er geriet kurz ins Straucheln, doch es gelang ihm, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. In einer Umarmung aus Brokat und Musik fing er sie auf. Eine kleine Mörtelspur rieselte hinter ihr die Säule hinunter.
    » Ich hatte ja keine Ahnung, dass du schon zurückerwartet wirst! «, rief Malian. Ihre Stimme wurde durch den Brokat gedämpft. » Du bist seit Ewigkeiten fort gewesen! Du kannst dir nicht vorstellen, wie öde es ohne dich war. «
    Haimyr machte einen Schritt zurück und hielt sie auf Armeslänge von sich. Sein Haar lag in einem weichen Bogen um seine Schultern und war nicht weniger

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