Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
Vom Netzwerk:
der Chirurgielehrgang sich dem Ende nähert.« Er hielt inne und ließ den Blick langsam über die Gesichter in den Bankreihen schweifen. »Natürlich«, fügte er hinzu, »werde ich einige von Ihnen im nächsten Jahr wieder sehen.«
    Schwaches Gelächter, mit Angst durchsetzt. Wer durchfiel, konnte es nächstes Jahr noch mal versuchen. Und das konnte den Besten passieren, die hellsten Köpfe konnten der Examensangst zum Opfer fallen.
    Wir sitzen gar nicht hier, um Ärzte zu werden, dachte Deon. Nicht, weil es uns treibt, Kranke zu heilen. Wir sitzen hier wie eine Gänseherde, die gemästet wird, damit wir, wenn wir zu Markte gehen, auch schön fett aussehen.
    Wie kann ich im November Examen machen, solange diese Sache …
    Professor Snyman hatte seinen unheilschwangeren Witz voll ausgekostet. Jetzt wurde seine Stimme belebt.
    »Wir beschließen den Kursus mit fünf Vorlesungen über die Kinderchirurgie.« Eine kurze Pause. Er hatte den Kopf zur Seite gelegt, als lausche er fernen Trommeln. »Niemand wird heutzutage bestreiten, daß wir ausgebildete Kinderärzte brauchen. Und doch steckt die Kinderchirurgie, wenn ich es einmal so sagen darf, noch in den Kinderschuhen.«
    Die zierliche Inderin neben Deon lehnte sich vor und kritzelte etwas in ihr Kollegheft. Deon irritierte das. Was gab es da zu notieren? Doch wohl nicht das lahme Wortspiel des Alten? Sie war eine von denen, die alles aufschrieben, als könne sie es so in ihr Gedächtnis einprägen. Aber er mußte zugeben, daß es zu nützen schien. Sie war eine der Besten im Semester, nicht weit hinter Philip.
    Er wollte sich lieber darauf konzentrieren, was der alte Snyman zu sagen hatte. Ösophagotrachealfistel. Was war denn das schon wieder. Er sah auf sein Pult nieder, das mit Initialen, Namen und Daten verunziert war. Generationen hatten hier ihre chirurgische Geschicklichkeit mit Skalpell und Feder erprobt. Eine unbekannte Größe hatte mühsam den Satz eingeritzt: »Professor Morris ist wild nach Sex.« Der Psychologieprofessor war strenger und unerschütterlicher Freudianer. Deon grinste.
    Fünf Tage. Das Grinsen verzog sich zur Grimasse. Sex war nicht zum Lachen. Wenigstens heute nicht. Und gestern abend erst recht nicht …
    Er hatte den ganzen Abend in der Unfallstation geholfen. Unten am Bahngelände hatte es eine Rauferei gegeben, und verschiedene Köpfe mußten genäht werden. Sprühregen am Nachmittag hatte die Straßen schlüpfrig gemacht, und ein paar Verkehrsunfälle waren dazugekommen. Niemand war ernstlich verletzt, aber ein halbes Dutzend Patienten hockten schweigend auf den harten Bänken des Wartezimmers und beobachteten mit eigentümlich glasigen Blicken, was um sie herum vorging.
    In all dem Tumult hatte Deon ausgiebig mit einer Krankenschwester geflirtet, sie hatte ein wohlgerundetes Hinterteil und samtweiches Haar. Es schien ihr Spaß zu machen, von ihm hofiert zu werden, aber sie blieb unnahbar. Nächstes Jahr würde das anders sein. Dann war er fertiger Arzt. Jetzt war er nichts weiter als ein kleiner Medizinstudent, in ihren Augen nicht viel mehr als ein gewöhnlicher Wärter.
    Abgesehen von einer Kopfwunde, die er hatte nähen dürfen, war seine Arbeit wirklich demütigend, und gegen zehn Uhr hatte er es satt gehabt, Verbandwägelchen und Infusionsapparate herumzuschieben. Heute Abend wollte er noch ein paar Stunden büffeln: Wiederholung in Kardiologie.
    Beschwingt ging er nach Hause. Durch die Tür eines griechischen Restaurants drang der Geruch von heißem Öl und Fisch. Plötzlich hatte er Hunger und war versucht, hineinzugehen und einen Käsetoast mit Kaffee zu bestellen. Aber er hatte nur noch ein paar Scheine in der Tasche, und die wollte er für eine besondere Gelegenheit aufheben. Ob die Unfallschwester wohl mal abends frei hatte? Vielleicht war sie etwas zugänglicher, wenn sie ein gutes Essen und ein paar Gläser Wein intus hatte?
    Er ging durch das Gartentor und bog ums Haus zu seinem winzigen Zimmer im Hinterhof.
    Nächstes Jahr würde er beweglicher sein, denn sein Vater hatte ihm zur Promotion ein Auto versprochen. Schade, daß er als Assistenzarzt in der Klinik würde wohnen müssen. Was nützte einem der Doktortitel, wenn man wie ein Mönch leben mußte?
    Er schloß auf und tastete nach dem Schalter. Ehe er das Licht anknipste, hatte er schon das Gefühl, als sei noch jemand im Zimmer.
    Instinktiv hob er abwehrend die Hände und war einigermaßen erleichtert zu sehen, daß es nur Trish war. Sie lag auf dem schmalen

Weitere Kostenlose Bücher