Die Erbsünde
Verlegenheit, ließ ihn aber zappeln. Er hatte nicht gewußt, daß sie grausam sein konnte. Im Grunde wußte er sehr wenig über sie.
Er schämte sich jetzt, daß seine erste Reaktion gewesen war, alles abzuleugnen und feige und frech zu behaupten, er habe nichts mit der ganzen Sache zu tun.
Selbstverständlich würde er gar nicht daran denken, sie im Stich zu lassen. Trotzdem, in Gedanken hatte er sie schon verraten.
Er zwang sich, kalt und nüchtern zu bleiben.
»Wann hätte deine Regel kommen müssen?«
»Vor fünf Tagen.«
Fast hätte er laut aufgelacht vor Erleichterung. »Fünf Tage. Mein liebes Kind, das ist doch noch keine Zeit. Mensch, da hast du mir aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Fünf Tage ist doch noch kein Grund zur Aufregung.«
Ein abschätzender, fast verächtlicher Blick. »Für mich schon. Ich bin nie einen Tag überfällig.«
»Du kannst es mir glauben! Fünf Tage Verspätung ist völlig normal.«
»Bei mir ist es das erste Mal.«
»Das ist noch lange kein Grund, daß es nicht jetzt passieren kann. Der menschliche Körper ist keine Maschine. Er ist unberechenbar. Na ja, jedenfalls brauchst du keine Angst zu haben. Jetzt noch nicht.«
»Jetzt noch nicht«, wiederholte sie gehorsam, aber mit einem überlegenen und wissenden Unterton in der Stimme.
Er ignorierte das. Er verfolgte mit Eifer eine diagnostische Spur. »Das ist es vielleicht sogar. Du hast dich gesorgt, und das kann die Dinge verzögern. Es ist sogar möglich, daß du deswegen einen ganzen Monat überschlägst.«
»Vor fünf Tagen habe ich mir noch keine Sorgen gemacht.«
»Vielleicht unbewußt.« Er wollte vernünftig bleiben und sie gleichzeitig beruhigen. »Es könnte sogar an einer tief sitzenden Neurose liegen.«
Zum ersten Mal brauste sie wütend auf. »Ich brauche deine selbst gebastelte Psychoanalyse nicht, vielen Dank.«
Ihr Zorn steckte ihn an. »Dies ist wohl kaum der richtige Augenblick für boshafte Sticheleien. Wenn du wirklich schwanger bist, gut, dann sehen wir, was zu tun ist. Aber meiner Meinung nach besteht noch kein Grund zur Aufregung.«
»Entschuldige.« Sie biss sich auf die Unterlippe und wandte den Kopf ab.
Er zuckte mit den Schultern.
»Es tut mir wirklich leid, ich habe es nicht so gemeint.«
Er sah, warum sie ihr Gesicht abgewandt hatte. Sie weinte. Sofort empfand er Reue und Scham über seine Rohheit. Er hätte eher merken müssen, wie angespannt ihre Nerven waren und wie tief ihre Angst saß.
»Pat!« sagte er ruhig, und es schien, als sei ihr früherer Name das Zauberwort, das Sesam-öffne-dich zu den Abgründen ihrer Verlassenheit, denn sie warf sich heftig weinend über das Bett. Er stand neben ihr, ratlos, und zögernd berührte er ihre bebenden Schultern.
»Trish«, sagte er.
Sie schüttelte den Kopf und versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken.
»Weine nicht, Liebling. Hab keine Angst. Ich werd' mir schon was einfallen lassen.«
Sie hob den Kopf und sah ihn an. Das Haar hing ihr wirr ins Gesicht. Sie strich es nicht einmal zurück, sondern starrte ihn durch die Strähnen an, als seien sie ein Vorhang, der sie trennte.
»Hilf mir.« Es war mehr eine Frage als eine Bitte. »Hilf mir, Deon.«
»Natürlich«, sagte er schnell. Zu schnell. »Natürlich helf ich dir.«
Sie sah ihn mit einem langen, bangen Blick an, dann wandte sie sich ab. Er streichelte ihre Schultern, und es war, als übertrage sich ihre Angst durch Berührung auch auf ihn. Die Angst packte ihn wie eine Faust. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er mit belegter Stimme.
»Wir können es uns nicht leisten, unbesorgt zu sein«, hörte er Professor Snyman sagen. »Das Problem löst sich nicht von selbst.«
»Es sollte anerkannt werden, daß Chirurgie an Kindern, besonders an Neugeborenen, ein Gebiet ist, das von der Erwachsenenchirurgie ganz unabhängig ist«, sagte der Professor. »Um das zu erreichen, brauchen wir eine neue Gattung von Chirurgen, die in einem neuen Geist zusammenarbeiten.«
Offenbar hatte der Alte sich wieder über sein Lieblingsthema ausgelassen, dachte Deon. Um so besser, dann hatte er wahrscheinlich nichts versäumt. Aber jetzt mußte er sich konzentrieren. Professor Snyman warf noch einen Blick über seine Klasse, die buschigen Augenbrauen standen kraus ab. Dann drehte er sich um und machte sich am Projektor zu schaffen.
»Ich werde Ihnen jetzt einiges davon zeigen, womit wir uns in Zukunft auseinanderzusetzen haben«, sagte er. Er nahm ein Dia, hob es gegen das Licht und schob
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