Die Erde ist nah
je mehr wir uns ihr näherten, desto mehr stiegen unsere Befürchtungen. Die Geländebewertung nach Flugaufnahmen ist eben unzureichend. Die Bodensenkung erwies sich als ein riesiges chaotisches Terrain, zerfurcht von einer ungeheuren Menge von Hügeln, Geröllhängen und Staubwehen, aus denen zerklüftete Felsen emporragten. Es blieb uns nichts anderes übrig, als nach Südwesten abzuschwenken.
Die Astra schwankte schwerfällig in dem schlecht befahrbaren Gelände. Mir wurde mehr und mehr klar, daß O'Briens wissenschaftlicher Eifer den menschlichen Charakter verlor. Williams mußte auf seinem Lager Höllenqualen leiden. Ich konnte mich mit dieser Tatsache nicht abfinden und erinnerte O'Brien an den Verwundeten. O'Brien antwortete, ich könne ja den Kapitän darum bitte, den Kranken durch die Libelle holen zu lassen. Bei dem gerade herrschenden Wetter wäre das die einzig richtige Lösung.
Mißmutig beendeten wir die Etappe. Der Umweg nach Südwesten hatte uns dem Ziel nicht nähergebracht, das Abendgespräch mit der Basis brachte kein erfreuliches Resultat. Der Kapitän weigerte sich mit dem Hinweis auf das Barometer, den Flug der Libelle zu gestatten. In der Nacht brach wirklich ein Wind los, der mit wildem Toben die Kabine der Astra bis zum Morgen erschütterte.
Trotz des starken Windes setzt die Kolonne in der Frühe ihren Marsch fort. Die Sicht ist bei weitem nicht so schlecht wie im Gebiet der Staubwüste. Ringsherum gibt es nur Gestein. Nichts als kantiges Geröll von zerfallenen Felsblöcken. Das bei sonnigem Wetter schwarzviolette und sternenbesäte Firmament ist jetzt von einem trübgelben Staubbaldachin überzogen, durch den gespenstisch die Sonne scheint.
Das Felsenmassiv drängt uns dauernd nach Südwesten. Die ganze Barriere ist nicht größer als zweihundert Meter relativer Höhe, ist aber völlig unpassierbar, wenigstens für die schwere Astra. O'Brien erwägt die Möglichkeit, die Barriere mit den kleinen Schleppern zu überqueren.
Zu Mittag befinden wir uns auf einer steinigen Erhebung, vor der die Felsengruppe wie die verfallenen Zinnen der biblischen Burg Sion emporragt. Anhand der Karte bereiten wir uns auf den entscheidenden Angriff vor. Wir ahnen nicht, daß der Rückschlag schon wartet, daß er schon eine lange Reihe von Tagen durch eine mikroskopische Nichtigkeit, die emsig an den Atomen des Stahls nagt, vorbereitet wird. In dem Augenblick, als am vierundzwanzigsten Tag unserer Fahrt, einige Minuten nach vierzehn Uhr Marszeit, der Motor der Astra anzieht, bricht die Stahlachse, und mit einem einzigen, erbarmungslosen Ruck bleibt der Motor stehen. Ein wütender Wind rüttelt an der schweren Karosserie der Astra, deren orangefarbene Schönheit der Wind schon fast ganz abgeschunden hat, als wollte er ungeduldig mit seiner Beute spielen oder prüfen, ob noch ein Funken Leben in ihr verborgen sei. Doch die Maschine ist tot. Wild heult der Wind, reißt die Haut von den Felsen, überschüttet alles mit Staub.
20
Sieben düstere Tage verbringen wir schon auf dem steinigen Hügel unterhalb der Felsenzinnen Sions. Der Wind steigert sich zu einem Staubsturm, der das Tageslicht erstickt. Die Astra mit ihrer Kabine für zehn Mann Besatzung zittert und wankt immer mehr. Williams stöhnt in schwerem Fieber und phantasiert von Wasser. Unser einziger Trost besteht darin, daß wir keinen Sand und Staub wegräumen müssen, denn wir stehen an der windgeschützten Seite des Hügels, und der Sturm schleudert Staub und Sand in wildem Wirbel über den abgeschliffenen Felsrücken hinweg.
Die Verbindung mit der Basis ist schon drei Tage unterbrochen. Obwohl wir die Zeit liegend verbringen, kann man kaum von Erholung sprechen. Wir befürchten, daß wir zu wenig Luft haben und daß die Wasservorräte nicht ausreichen werden. Sieben Tage sind wir schon an einen Ort gebunden. Was geschieht, wenn noch sieben folgen oder zwanzig, oder hundert?
Plötzlich beruhigt sich der Wind. Die unnatürliche Stille dröhnt in den schmerzenden Ohren. Williams erwacht schweißgebadet, starrt ins Leere, und auf die Frage, ob er trinken will, antwortet er, daß der Tod gar nicht so schlimm sei, wie er geglaubt habe. »Jetzt hab' ich endlich Ruhe«, haucht er. Weil seine Temperatur nur wenig erhöht ist, entschließe ich mich zu einem radikalen Eingriff. Ich schlage ihm mehrmals von beiden Seiten ins Gesicht und schreie ihn an: »Henry, reiß dich zusammen, du darfst nicht phantasieren! Der Wind hat aufgehört. . . Na also, nimm
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