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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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Einwilligung geben. Nun hing alles von mir ab. Unerschütterliche Entschlossenheit war nie eine starke Seite meines Charakters. Ich zögerte. Diese Unentschlossenheit quälte mich. Wie leicht konnte ein einziges Wort von mir über Leben und Tod Lawrensons entscheiden. Oder über Leben und Tod Williams'? Oder über Leben und Tod beider? Ich handelte so wie alle Zauderer und verschob die Entscheidung um zwölf Stunden. In der Nacht ertappte ich mich, wie ich im Halbschlaf dauernd horchte, ob nicht von irgendwoher ein Staubsturm heranzog. In der Kabine war es unheimlich still. Nur der schwere Atem des Kranken war zu hören. Nach Mitternacht begann Williams wieder zu phantasieren. Ich stand auf und behandelte ihn, wie es in der gegebenen Situation eben möglich war. Als ich mich wieder niederlegte, traf ich die Entscheidung: In der Frühe fordere ich die Libelle an. Mir war klar, daß Williams' verwundete Hand, wenn wir ihn auf dem Anhänger des Schleppers zum Hauptlager beförderten, innerhalb des Raumanzugs am Brustkorb befestigt werden mußte, und damit konnte die Wunde zumindest zehn Tage lang nicht behandelt werden. Beim derzeitigen Stand der Verwundung erschien mir eine solche Lösung mehr als düster zu sein. Am Morgen schien sich der Kranke wohler zu fühlen. Die Geschwulst war zurückgegangen, die Medikamente schienen endlich zu wirken. Als ich außerdem sah, daß das Firmament dauernd von einem trübgelben Nebel verhängt war, war ich fast froh, daß ich die Libelle nicht anfordern mußte. Das Wetter hatte für mich entschieden. Als ich dann mit dem Hauptlager sprach, einigten wir uns dahin, daß ich mich beim Aufklären des Wetters sofort melden würde. Williams trank eine ganze Konserve Obstsaft aus und fühlte sich, wie er sagte, einigermaßen. Dann fiel ihm die ungewöhnliche Stille auf und er fragte nach den Gefährten. Ich berichtete ihm wahrheitsgemäß, daß sie einen Übergang über den Kamm suchen wollten. Williams fühlte sich sofort schuldig, weil wir untätig in der Raumkabine sitzen mußten. Um es ihm leichter zu machen, versicherte ich ihm, daß das Gelände für die schwere Astra unbefahrbar sei. Ich sagte ihm nichts vom defekten Motor, denn ich hielt den Augenblick nicht für geeignet. Williams wollte offensichtlich noch mehr wissen, doch zum Glück schlief er mitten im Satz ein. Ich verbrachte den ganzen Tag in sonderbar angenehmer Ruhe. Mehrmals drängte sich mir der Gedanke auf, daß ich ein Schiffbrüchiger auf einem öden Planeten sei. Dabei war mir nicht im geringsten wehmütig zumute. Im Gegenteil, ich saß stundenlang am Sehschlitz und hatte das Gefühl, daß die Zeit mit all ihren Sorgen, Schmerzen und Qualen stillstand. Abends kehrte die Expedition erschöpft zurück. Der Versuch, den Felsenkamm der Barriere mit den Schleppern zu überwinden, endete erfolglos. Das Gelände war absolut unpassierbar.
    Am folgenden Tag startet die Expedition zu einem neuen Versuch. Die noch immer erschöpften Männer sprechen kein Wort. O'Brien, dessen Augen schon mehrere Tage fiebrig glühen, führt die Expedition nach Südosten. Wieder sehe ich sie in Staubwolken verschwinden. Williams schläft fast ununterbrochen. Die Geschwulst am Unterarm verschwindet völlig. Unentschlossen beobachte ich, daß sich der Himmel aufhellt.
    Mittags ist die Landschaft vom grellen Sonnenlicht überflutet. Die Barriere erstrahlt in rosafarbenem Rauhreif. Ich rufe die Basis an. Dort ist das Firmament schon zwei Stunden völlig klar. Doch der Meteorologe Morphy meldet ein abermaliges Sinken des Barometers. Angewidert von mir selbst, versuche ich die Entscheidung zum Start der Libelle auf den Kapitän abzuwälzen. Soll doch er die meteorologische Situation beurteilen! »Das lassen Sie meine Sorge sein, Cosby«, antwortet er ziemlich schroff. »Ich will Ihre Meinung als Arzt hören, ob Williams die Überführung braucht oder nicht. Ich gebe Ihnen noch fünf Minuten Bedenkzeit, aber nicht mehr!« Da stelle ich mir vor, wie wir den stöhnenden Williams über das endlose Meer von Staubdünen schleppen - und ohne weiter zu überlegen sage ich:»J a!« Der Kapitän teilt mir kurz mit, daß Lawrenson in ungefähr vierzig Minuten starten kann. Den Start wird man mir noch genau bestätigen. Ich soll inzwischen Signalraketen vorbereiten.
    Nach vierzig Minuten meldet die Basis eine weitere Verringerung des Luftdrucks und einen von Nordosten herannahenden Staubschleier. Der Kapitän widerruft die Starterlaubnis für die Libelle. Ich

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